Sommerkussverkauf
gezogen. Ich werde wohl mein Elternhaus verkaufen müssen, um ihren Aufenthalt im Heim bezahlen zu können. Laut den Ärzten sollte sie gar nicht mehr am Leben sein, aber offenbar besitzt sie die Konstitution eines Ochsen.« Er schwieg kurz. »Es liegt auf der Hand, dass sie auch nicht glücklich ist. Vielleicht freut es deine Mutter, das zu hören.«
Maddy öffnete automatisch den Mund, um Marcella zu verteidigen, aber dann schloss sie ihn wieder. Wahrscheinlich hatte er recht. Wie oft hatte Marcella mit Nachdruck erklärt, dass sie hoffe, die McKinnons würden alle in der Hölle schmoren.
Wo es doch in Wirklichkeit einfach nur ganz furchtbar
traurig
war. Pauline McKinnon hatte viel durchmachen müssen und sich infolgedessen in den Alkohol geflüchtet. Auch sie war Witwe geworden, als ihre Kinder noch sehr klein waren. Ihr Mann, ein schottischer Architekt, war an einer Gehirnblutung gestorben. Und nun musste auch noch ihr Haus verkauft werden, um für ihre Pflegekosten aufzukommen. Sie trug keine Schuld an dem, was geschehen war. Der Unfall war eine Tragödie, die mehr als nur eine Familie betraf. Und Kerr – Maddy glaubte ihm mittlerweile – hatte tatsächlich versucht, sich bei ihrem Vater zu entschuldigen …
»Ich muss jetzt los.« Sie stand auf. »Meine anderen Kunden werden schon mit den Füßen scharren.«
»Aber du belieferst uns auch weiterhin, oder?« Als sie zögerte, fügte Kerr hinzu: »Ich werde nicht immer hier sein. Ich bin oft in London, bei Kunden von uns.«
War das als Anreiz gedacht? Maddy nickte, fühlte sich bereits merkwürdig leer bei dem Gedanken, ihn nicht zu sehen, wenn er in London war. »Ich beliefere euch auch weiterhin.«
Das Aufflackern eines Lächelns. »Wenn ich zurückkomme, können wir ja vielleicht zusammen essen gehen. Wenn du magst.«
Er sah sie an, versuchte, ihre Reaktion einzuschätzen. Maddy fragte sich, ob er auch nur im Entferntesten ahnte, wie ihr gerade zumute war.
Wenn du magst.
Oh, und wie sie mochte. Aber etwas zu wollen und es dann auch wirklich zu tun, waren zwei Paar Schuhe. Sie stellte sich Marcellas Reaktion vor, wenn sie entdeckte, dass Maddy ein zivilisiertes Gespräch mit einem McKinnon geführt hatte. Von einer Einladung zum Essen ganz zu schweigen.
Kurz gesagt, Snow Cottage hätte hinterher kein Dach mehr.
»Danke.« Maddy zögerte. »Aber das könnte sich als …«
Kerr hob die Hände. »Ist schon gut, ich weiß. Tut mir leid, ich hätte dich das gar nicht fragen sollen. Bevor du gehst, da wäre noch etwas, was mir Rätsel aufgibt.«
Na toll. Bestimmt etwas Peinliches. »Und das wäre?«
»Samstagnacht hast du mich nicht erkannt, Montagmorgen schon. Ich weiß, es war dunkel im Garten, aber so dunkel war es auch wieder nicht.«
Puh. Nur halb peinlich. Was für eine Erleichterung.
»Eitelkeit«, erklärte Maddy. »Ich habe eine meiner Kontaktlinsen verloren und wollte meine Brille nicht aufsetzen.«
»Dann trägst du sie jetzt? Deine Kontaktlinsen? Ich sehe gar nichts«, staunte Kerr und trat näher.
»So soll es ja auch sein.« Maddy legte entgegenkommenderweise den Kopf in den Nacken, damit er in ihre Augen schauen konnte. Da war wieder dieses Aftershave … und die verräterischen Schmetterlinge in ihrer Magengrube. Also gut, zehn Sekunden waren mehr als genug.
Sie senkte den Blick und merkte, dass Kerr gar nicht auf ihre Kontaktlinsen geschaut hatte. Er sah
sie
an. Als sich ihre Blicke trafen, schlugen die Schmetterlinge schneller mit den Flügeln. Würde er sie jetzt küssen? Er wollte es, so viel stand fest. Und sie wollte es auch, und er wusste, dass sie es wollte …
Maddy stellte fest, wie leicht es war, den Zauber zu brechen. Sie musste sich nur vorstellen, wie Marcella ins Büro gestürmt kam.
Maddy trat einen Schritt zurück und warf Kerr McKinnon einen vorwurfsvollen Blick zu.
»Tut mir leid.« Mit einem bedauernden Lächeln fuhr er sich mit den Fingern durch die Haare und schüttelte den Kopf. »Billiger Trick.«
»Sehr billiger Trick.«
»Ich konnte nicht anders.«
»Stell dir einfach meine Mutter mit einer Schrotflinte in der Hand vor.«
»Ah ja. Sehr hilfreich. Danke.«
»Jederzeit gern.« Als Maddy das Büro verließ, wurde ihr klar, dass sie es schon wieder taten. Sie machten Witze über etwas, das überhaupt nicht lustig war.
8 . Kapitel
Es war Donnerstagmittag, und Kate lag immer noch im Bett. Mal ehrlich, warum sollte sie aufstehen?
Sie schlief aber nicht, was angesichts des Getöses im Erdgeschoss
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