Sommerliches Schloßgewitter
den Garten geführt. Als er über seine Schulter schaute, sah Pilbeam den jungen Mann noch immer dastehen und ihm nachstarren – tief in Gedanken, wie es schien; und er war froh, seinem Blickfeld zu entkommen, als er seinem Gastgeber ins Freie folgte. Zwischen diesen Blicken und denen des Butlers schien es wenig Auswahl zu geben.
Trotz seiner Erleichterung hatte er sich noch nicht ganz gefaßt, als er die Terrasse erreichte. Dieser Minderwertigkeitskomplex war immer noch virulent, und die Umgebung schüchterte ihn ein. Ihm war, als könne auf einer Terrasse wie dieser jederzeit ein in dieser unheimlichen Welt beheimatetes, alles vernichtendes Wesen hervortreten und seine Demütigung vollkommen machen, eine Herzogin vielleicht, eine wilde Walküre, eine grausame Grafentochter womöglich, die ihn anblicken würde wie Beach, die vornehm geschwungenen Augenbrauen in aristokratischer Verachtung gehoben und sich abwendend die Worte murmelte: »Höchst sonderbar!« Er rechnete mit dem Schlimmsten.
Eins der wenigen Dinge, mit denen er nicht gerechnet hatte, war Sue. Bei ihrem Anblick hob er eine Handbreit vom Boden ab und stand dann da wie Pik-Sieben.
»D-d-d-da-da …« stammelte er.
»Wie bitte?« fragte Lord Emsworth. Er hatte die Bemerkung seines Begleiters nicht ganz verstanden und hoffte, er werde sie wiederholen. Man sollte sich von dem, was ein Detektiv mit geschultem Verstand von sich gibt, nichts entgehen lassen. »Was sagten Sie gerade?«
Auch er hatte Sue entdeckt, und unter Aufbietung seines ganzen Erinnerungsvermögens fiel ihm, über die Zwischenstufen Schofield, Maybury, Coolidge und Spooner, ihr Name wieder ein.
»Mr. Pilbeam, Miss Schoonmaker«, sagte er. »Galahad, das ist Mr. Pilbeam. Du weißt schon, von der Agentur Argus.«
»Pilbeam?«
»Sehr angenehm.«
»Pilbeam?«
»Mein Bruder.« Lord Emsworth bemühte sich, den Vorstellungsprozeß abzuschließen. »Dies ist mein Bruder Galahad.«
»Pilbeam?« fragte der Ehrenwerte Galahad und musterte den Prinzipal der Agentur Argus eingehend. »Standen Sie mal mit einer Zeitschrift namens ›Gesellschaftsgeflüster‹ in Beziehung, Mr. Pilbeam?«
Der Detektiv hatte das Gefühl, als schwankten die Gärten von Blandings Castle. Er wußte zwar, daß in der Redaktion dieses interessanten, aber oft umstrittenen Druckerzeugnisses die eiserne Regel gegolten hatte, niemals auf Anfragen den Namen des verantwortlichen Redakteurs preiszugeben, aber nun wurde geradezu erschreckend klar, daß es eine undichte Stelle gegeben hatte. Zu spät erkannte er, daß man niedere Chargen bestechen kann.
Er schluckte mühsam. Die Macht der Gewohnheit hätte ihn beinahe verleitet zu sagen »Exakt«.
»Niemals«, keuchte er. »Ganz bestimmt! Nein! Nie.«
»Jemand ihres Namens hat sie mal herausgegeben. Ist kein häufiger Name.«
»Vielleicht ein Verwandter. Ein entfernter.«
»Schade, daß Sie’s nicht sind«, sagte der Ehrenwerte Galahad bedauernd. »Ich wollte ihn schon immer mal kennenlernen. Hat mal was sehr Bösartiges über mich geschrieben. Sehr bösartig.«
Lord Emsworth, der der Konversation mit wenig Aufmerksamkeit gefolgt war wie allen Konversationen, die sich nicht um Schweine drehten, sorgte für Ablenkung.
»Möchten Sie vielleicht ein paar Fotos sehen?« fragte er.
Zwar kam es Pilbeam in seiner Zerrüttung etwas seltsam vor, daß jemand annehmen konnte, er sei jetzt in der Verfassung, sich das Familienalbum zu betrachten, aber er gab einen erstickten Laut von sich, den sein Gastgeber als Zustimmung deutete.
»Ich meine natürlich, von der Kaiserin. Sie werden Ihnen einen Eindruck geben, was für ein prächtiges Tier sie ist. Sie werden Sie …« Er suchte nach dem mot juste. »… beflügeln. Ich gehe und hole sie aus der Bibliothek.«
Der Ehrenwerte Galahad war jetzt wieder von seiner alten Liebenswürdigkeit.
»Haben Sie nach dem Essen schon etwas vor?« fragte er Sue.
»Es war mal die Rede«, sagte Sue, »von einer Partie Rommé mit Baxter.«
»Kommt nicht in die Tüte!« sagte der Ehrenwerte Galahad heftig. »Der Kerl bringt’s fertig und verdrischt Sie mit dem Golfschläger. Wenn wir nicht zum Abendessen ausgingen, hätte ich Ihnen vorgeschlagen, daß ich Ihnen etwas aus meinem Buch vorlese. Es würde Ihnen bestimmt gefallen. Außer Ihnen lese ich auch niemandem daraus vor. Irgendwie glaube ich, daß Sie die richtige Einstellung dazu haben. Einmal habe ich meiner Schwester Constance ein paar Seiten gezeigt, und ihre Reaktion war einfach
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