Sommerlicht Bd. 2 Gegen die Finsternis
überhaupt nicht bewusst wäre. »Also«, er zündete sich eine Zigarette an, »ich nehme an, du möchtest etwas über meine Leslie hören.«
»Sie gehört nicht dir.«
Irial zog ausgiebig an seiner Zigarette. »Meinst du?«
»Ja, meine ich.« Niall drehte sich leicht und beobachtete einige Elfen, die von links herankamen. Er traute weder Irial noch den ungebundenen Elfen, die zu ihnen herübersahen; eigentlich traute er im Augenblick niemandem.
Irial winkte ein paar Elfen heran und befahl ihnen, die unmittelbare Umgebung zu räumen. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder Niall zu. »Komm. Ich werde nicht zulassen, dass dir jemand etwas tut, während du neben mir sitzt – mein Wort darauf.«
Von diesem großzügigen Angebot überrascht setzte Niall sich und sah den König der Finsternis erstaunt an. Wenn er Niall versprach, dass ihm nichts passieren würde, stellte er damit seine eigene Sicherheit noch hinter die von Niall zurück. Das änderte allerdings nichts: Ein Augenblick der Freundlichkeit machte Leslies Situation und Irials Grausamkeiten aus vergangenen Tagen nicht ungeschehen.
»Leslie gehört nicht uns«, sagte Niall. »Sie gehört sich selbst, ob sie nun mit dir verbunden ist oder nicht. Du hast das bloß noch nicht verstanden.«
»Aaah, du bist noch immer ein Dummkopf, Gancanagh.« Irial blies eine Rauchwolke aus und lehnte sich zurück. »Ein leidenschaftlicher Dummkopf, aber trotzdem ein Dummkopf.«
Da sprach Niall sie aus, die Worte, von denen er nie geglaubt hätte, dass er sie noch einmal zu Irial sagen würde, und die den Beginn einer Unterhaltung bildeten, die schon einmal sein schlimmster Albtraum gewesen war. »Lässt du mit dir um ihre Freiheit handeln?«
In Irials Augen blitzte etwas auf, das für Niall nicht zu deuten war. Er ließ seine Zigarette sinken. »Vielleicht. Was bietest du mir denn?«
»Was willst du?«
Über Irials Gesicht huschte ein müdes Lächeln. »Manchmal weiß ich das selbst nicht mehr so genau. Ich habe diesen Hof durch die Kriege zwischen Beira und dem letzten Sommerkönig geführt, durch Beiras zahllose Temperamentsausbrüche, aber diese neue Ordnung … Ich bin müde, Niall. Was will ich?« Irials übliche Fassade – halb amüsiert, halb kaltschnäuzig – kehrte zurück. »Was will ein König? Ich möchte, dass meine Elfen sicher sind.«
»Und was hat Leslie damit zu tun?«
»Fragst du das für den Juniorkönig oder für dich selbst?« Irial hatte wieder den stichelnden Ton, in dem er so oft sprach: Der König der Finsternis hatte es Niall nie ganz verziehen, dass er geflohen war. Das wussten sie beide.
»Was willst du im Austausch für sie von mir haben? Ich bin hier, um mit dir zu verhandeln. Was ist der Preis, Irial?« Das Aussprechen dieser Worte löste ein Chaos an Gefühlen in ihm aus – Selbstekel, weil er Leslie enttäuscht hatte; Wut, dass sein König ihn enttäuscht hatte; Entsetzen, dass Irials Freundlichkeit ihn immer noch berührte. »Ich weiß doch, wie es läuft. Sag mir, worauf du verzichten würdest und zu welchem Preis.«
»Du hast es nie begriffen, stimmt’s?«, fragte Irial ungläubig. Doch bevor Niall etwas sagen konnte, hob Irial abwehrend die Hand. »Lass die Gefühle zu, die du so verzweifelt bekämpfst, weil du sie mir nicht zeigen willst, und ich werde dir antworten.«
» Was soll ich tun?« Niall hatte ja schon von seltsamen Tauschgeschäften gehört, aber hier lieferte er sich Irials Willkür aus: Der König der Finsternis bot ihm Antworten im Austausch dafür an, dass er »seinen Gefühlen nachgab«. Niall verzog das Gesicht. »Welche …«
»Hör auf, all deine dunklen Gefühle abzuwehren, und ich werde dir die Antworten geben, die du brauchst.« Irial lächelte, als wären sie Freunde, die ein vernünftiges Gespräch führten. »Überlass dich einfach deinen Gefühlen, Niall. Das ist alles, was ich von dir verlange. Dann verrate ich dir drei Geheimnisse, die deiner Gefühle und ihrer Intensität würdig sind.«
»Wie willst du …«
»Gancanagh … wäre es dir lieber, wenn ich dich um andere Gefälligkeiten bitte? Ich möchte lieber nicht auf niedrigerem Niveau verhandeln, nicht mit dir, nicht mit jemandem, für den ich Zuneigung empfinde.« Irial beugte sich ganz nah zu ihm hin und lächelte ihn so betörend an, dass Niall unwillkürlich an schönere Zeiten mit Irial, vor Ewigkeiten, erinnert wurde. An die Zeiten, bevor Niall wusste, wer und was Irial war, bevor er wusste, was er selbst war.
Also
Weitere Kostenlose Bücher