Sommerliebe
Meinung wie ich? Hast du nicht dieselbe Praxis ausgeübt?«
»Bis vor kurzem, ja.«
Heinz fing wieder an, seinen Bart zu schaben, als Zeichen dafür, daß dieses Gespräch für ihn beendet war. Rolf verstand und trollte sich. Zum Mittagessen, das schon vor der Tür stand, trafen die zwei sich wieder und gingen anschließend zum Strand. Eine Minute vor ihnen waren dort die Mädchen schon eingetroffen. Nach einer lauten Begrüßung zwischen Rolf und Inge und einer entschieden leiseren zwischen Heinz und Ilse legte sich Heinz neben Ilse auf deren ausgebreiteten Bademantel.
Eine Unterhaltung wollte nicht gleich in Gang kommen. Ilse betrachtete Heinz von der Seite.
Besonders frisch sah er nicht aus. Er hatte nicht gut und nicht lang genug geschlafen – nicht gut genug, weil ihm diesmal der Schnaps gefehlt hatte, nicht lang genug, weil er erst in den Morgenstunden ins Bett gekommen war. Mir selbst, sagte sich Ilse, erging es ja auch nicht anders, aber einer Frau stehen die nötigen Mittelchen zur Verfügung, um unerwünschten Zeichen der Müdigkeit im Gesicht zu Leibe zu rücken; ein Mann kann da lediglich auf kaltes Wasser zurückgreifen.
Die muß doch auch fertig sein, dachte Heinz. Ist sie aber nicht. Jedenfalls sieht sie ganz und gar nicht danach aus. Ist mir schon je ein hübscheres, frischeres, tolleres Mädchen nach so wenigen Stunden Schlaf untergekommen? Nein! Die macht mich noch wahnsinnig – falsch, die hat mich schon wahnsinnig gemacht!
So lagen die beiden eine Zeitlang stumm nebeneinander im Sand und starrten zum wolkenlosen blauen Himmel hinauf, während Inge und Rolf ein paar Meter daneben schon tüchtig miteinander schäkerten.
Endlich richtete sich Ilse ein wenig auf und blickte Heinz ins Gesicht. »Warum bist du so still?«
»Du doch auch.«
»Falls du das noch nicht gemerkt haben solltest: Das ist meine Art.«
»Die meine auch häufiger, als du denkst.«
»Davon habe ich aber bis zum heutigen Tag nichts gemerkt. Wechseln deine Eigenschaften immer so plötzlich und so abrupt?«
»Wenn Veranlassung dazu besteht, ja.«
»Und das ist jetzt der Fall?«
»Ilse.« Er richtete sich auch auf. »Frag doch nicht.«
Ihre Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt, wie die Schnäbel zweier Kampfhähne. Das hätte aber einen völlig falschen Eindruck erweckt. Keinem von ihnen war nach Streit zumute, jedem nach Liebe.
Ilses Gesicht roch ganz dezent nach einem guten Parfüm; das von Heinz nach Leitungswasser.
»Sei jetzt nicht so«, bat Ilse leise. Sie nickte zu Rolf hinüber. »Nimm dir ein Beispiel an deinem Freund.«
Damit hatte sie sich aber selbst eine Falle gestellt, denn Heinz sagte prompt: »Und du dir an deiner Freundin.«
Ilse vergrößerte wieder die Distanz zwischen ihnen. Sie ließ sich auf den Bademantel zurücksinken.
»Das ist etwas ganz anderes«, sagte sie.
»Warum?«
»Ihr zwei gleicht euch; Inge und ich unterscheiden uns fundamental voneinander.«
»Etwa auch darin, daß sie nicht verlobt ist und du schon?«
Etwas unwirsch antwortete Ilse: »Ja, auch darin, aber mußt du denn ausgerechnet das jetzt aufs Tapet bringen?«
»Denkst du, daß es etwas gibt, das mir mehr im Kopf herumgeht als dein Verlöbnis? Das kann ich nicht unter den Tisch fallen lassen!«
»Aber damit verdirbst du uns jede schöne Stunde.«
»Hättest du mich abreisen lassen, wärst du diese Sorge los. Ich würde mich jetzt schon Köln nähern.«
»Und ich mich Berlin.«
»Wieso du dich Berlin?« fragte Heinz.
»Weil ich dann auch Heringsdorf verlassen hätte.«
»Aber Ilse«, stieß Heinz ziemlich laut hervor, »das heißt doch –«
Sie legte ihm ihren Finger auf den Mund, brachte ihn dadurch zum Verstummen.
»Was das heißt«, sagte sie, »sollst du dir denken, aber nicht aussprechen.«
Er blickte sie groß an, liebkoste sie mit Augen, in denen jäh das wieder aufgeflammt war, was am Morgen vor der Tür zu ihrer Pension in einem bestimmten Moment erloschen war.
Mit einem Ruck setzte er sich auf, fragte sie: »Weißt du, wohin ich jetzt muß?«
»Wohin?«
»Ins Wasser.«
Das löste größte Überraschung bei Ilse aus.
»Ins Wasser?!« rief sie.
Inge und Rolf waren aufmerksam geworden.
»Wer will ins Wasser?« fragte Inge.
Ilse zeigte mit ausgestrecktem Finger auf Heinz.
»Er!«
»Ich glaub's nicht! Warum das?«
»Er muß sich abkühlen.«
Inge wies mit ausgestrecktem Finger auf Rolf.
»Das muß der sich schon lange auch.«
Die beiden Mädchen sprangen auf. »Also
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