Sonea - Die Heilerin: Roman
vertraute, dass wir ein gerechtes und gutes Volk sind. Warum hat er es getan? Um eine Verräterin zu verteidigen. Um ein Mitglied einer Nation zu retten, die nicht einmal die seine war, einfach weil es das Richtige war. Wie viele von uns würden das tun? Es ist nicht an ihm, das Geheimnis der magischen Heilung weiterzugeben. Sollte sich eine von uns in der Situation wiederfinden, in der er ist, würden wir erwarten, dass sie unsere Geheimnisse nicht preisgibt. Wir würden erwarten, dass ihre Gastgeber das respektieren, statt unsere Geheimnisse zu verlangen oder zu stehlen.« Savaras Stimme wurde laut und streng. »Dies ist nicht nur ein Verbrechen einer einzelnen Person gegen eine andere. Dies ist ein ungesetzlicher Akt einer Nation gegen eine andere. Kalia hat nicht nur Wissen von Lorkin gestohlen; die Verräterinnen haben Geheimnisse von Kyralia gestohlen und von den Ländern, mit denen Kyralia verbündet ist – von denen eins direkt hinter den Bergen liegt. Es sind Länder, die nicht unsere Feinde sind, obwohl sie uns nach unserer Behandlung Lorkins zu Recht als Feind betrachten könnten. Lasst uns hoffen, dass wir uns wegen Kalia nicht für lange Zeit vor Ländern auf allen Seiten verstecken müssen und nicht nur vor dem Rest Sachakas.«
Schwaches Wispern war alles, was die folgende Stille durchbrach. Savara setzte sich wieder und nickte Riaya zu.
»Sprecherin Kalia gibt die Verbrechen zu, deren sie beschuldigt wird«, sagte die Vorsitzende. »Wir Sprecherinnen müssen jetzt ihre Bestrafung erörtern.«
Während die Sprecherinnen und die Vorsitzende zu reden begannen, explodierte lautes Stimmengewirr im Raum, denn fast alle Anwesenden hatten das Bedürfnis, über das Gesagte zu diskutieren. Lorkin spürte, wie Tyvaras Schulter seine berührte, als sie sich zu ihm vorbeugte.
»Mach dir keine zu großen Hoffnungen«, murmelte sie.
Er sah sie an. Ihre Miene war säuerlich. »Wie meinst du das?«
»Sie werden Kalia nicht hinrichten«, antwortete sie und wandte den Blick ab.
»Nun …« Er schaute zu Kalia hinüber und schauderte. »Das ist wahrscheinlich gut so. Selbst wenn sie tatsächlich geplant hat, mich zu töten. Es bedeutet, dass die übrigen Verräterinnen bessere Menschen sind als sie.«
Eine Glocke ertönte, und er schaute überrascht zu den Sprecherinnen hinüber. Das ging aber schnell.
»Wir haben entschieden«, erklärte Riaya, und es wurde still im Saal. »Sprecherin Kalia wird ihr Titel und Rang genommen; sie wird nie wieder das Amt einer Sprecherin bekleiden. Sie wird für ein Jahr niedere Arbeiten verrichten, zum Wohle der Stadt. Es ist ihr verboten, heilende Magie zu benutzen oder zu lehren, es sei denn, es wird ihr befohlen. Falls sie sich als vertrauenswürdig erweist, darf sie einen Antrag stellen, um wieder auf der Krankenstation zu arbeiten, aber niemals mehr in einer führenden Position.«
Protest wurde im Publikum laut. Lorkin hatte das Gefühl, als habe ihm jemand einen Hieb in den Magen versetzt. Das ist keine Strafe. Es ist eine Verzögerung. Irgendwann, wenn sie ihre Zerknirschung hinreichend zur Schau gestellt haben, werden sie ihr erlauben, das Wissen zu benutzen, das sie mir gestohlen hat. Er fühlte sich verraten. Überlistet. Vielleicht war das die ganze Zeit über der Plan. Er dachte an Tyvaras Warnung …
Die Proteste brachen ab, und er schaute sich um, um die Ursache dafür zu finden. Die Königin hatte sich von ihrem Platz erhoben und eine Hand auf die Armlehne des Stuhls gelegt, um sich abzustützen.
»Als Entschädigung für die Qualen, die er erlitten hat«, sagte sie, »und für die Geheimnisse, die ihm genommen wurden, wird man Lorkin die Kunst des Steinemachens lehren.«
Lorkin starrte die Königin überrascht an. Sie begegnete seinem Blick, und ihre Augen leuchteten vor Erheiterung. Als ihm bewusst wurde, dass er sie angaffte, riss er sich hastig zusammen und senkte den Blick. Prickelnde Erregung durchlief ihn. Endlich! Neue Magie, um sie nach Hause zu bringen, nach … So schnell sie gekommen war, verebbte die Aufregung. Er konnte das Wissen nicht zur Gilde bringen. Er saß hier im Sanktuarium fest, und es war ihm verboten fortzugehen. Und außerdem würde ein Verlassen des Sanktuariums bedeuten, dass ich auch Tyvara verlassen müsste.
Da die Verräterinnen nun im Besitz der Heilkunst waren, hatte er nichts mehr, womit er sie dazu verlocken könnte, Handel mit der Gilde und den Verbündeten Ländern zu treiben. So betrachtet wurde ihm klar, dass er
Weitere Kostenlose Bücher