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Song of the Slums

Song of the Slums

Titel: Song of the Slums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland
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unmöglich geworden, mit ihm zu sprechen. Allen gegenüber verhielt er sich mürrisch und ruppig; doch mit ihr wechselte er nicht einmal mehr ein Wort. Sie hätte sich sicherlich stärker bemüht, ihm zu erklären, wie sie dazu gebracht worden war, Marschmusik vorzuspielen, wenn er nicht ständig unterwegs gewesen wäre, um seine vornehmen Ladys zu besuchen. Und sie war immer noch ungehalten und enttäuscht über sein Verhalten gegenüber Reeth.
    Astor
musste
einfach mit irgendwem sprechen, und so zog sie Mave, die eigentlich keine Lust hatte, sich zu unterhalten, quasi mit Gewalt in ihre Schlafkammer und zwang sie, auf dem Bett Platz zu nehmen.
    »Es tut mir leid, dass es mit Verrol nicht geklappt hat«, sagte Astor.
    »Was?« Mave blickte kurz auf. »Ach das. Ich bin doch nie davon ausgegangen, dass es klappen könnte. Hast du ihn denn gefragt?«
    »Mehr oder weniger.«
    »Und er hat gesagt, er hätte kein Interesse an mir?«
    »Er hat andere Interessen.«
    Da Mave die auf der Hand liegende Frage nicht stellte, musste Astor die Antwort selbst geben. »Kannst du dich daran erinnern, wie wir vor der Royal George Hall gewartet haben? Hast du da die drei Boten gesehen, die Briefumschläge abgegeben haben?«
    »Kann sein. Ich glaube ja.«
    »Ich hab gesehen, was darin war. Briefchen mit Einladungen zu Schäferstündchen. Und das von drei feinen Ladys. Er hat die Briefe nicht weggeworfen. Und jetzt …« Sie schnaubte, aber Mave schien völlig unbeeindruckt. »Verstehst du denn nicht?« Astor musste an sich halten, um nicht laut zu werden. »Da geht er hin, wenn er sich an seinem Seil hinablässt. Er hat mit ihnen angebändelt!«
    »Mit allen dreien?«
    »Woher soll ich das wissen? Mit einer bestimmt. Vielleicht auch mit zweien. Aber vermutlich mit allen dreien. Nicht, dass er etwas Besonderes für sie empfinden würde. Sie bekommen, was sie wollen, und er bekommt, was er will. Vermutlich spielt auch Rache für ihn eine Rolle dabei.« Mave schüttelte verständnislos den Kopf, während Astor ohne Pause weitersprach. »Kannst du dir das vorstellen? Reiche mächtige Frauen! Aufgedonnerte Schönheiten! Parfüm und Puder! So sieht
sein
Typ aus!«
    »Dann ist es doch gut, einfach nur mit ihm befreundet zu sein«, erwiderte Mave. »Ich glaube, er und ich sind Freunde.«
    Astor war verblüfft über Maves ruhige Reaktion. »Aber bist du denn nicht schockiert? Fühlst dich nicht abgestoßen davon? Schämst du dich nicht für ihn?«
    »Ich sehe jedenfalls, dass
du
das tust.«
    »Ja, wegen dir. Wie kann er so eine Sorte Frau dir vorziehen?«
    »Ich hab dir doch gesagt, dass er für mich nichts weiter als ein Wunschtraum ist.«
    »Ein Wunschtraum, der dir das Herz bricht.«
    Mave zuckte ganz leicht mit den Achseln. »Das macht mir nichts aus. Ich bin niemals davon ausgegangen, dass die Liebe mich glücklich machen würde.«
    Astor blickte sie ungläubig an. Sie hatte ja schon immer gewusst, dass Mave seltsam war, aber dies war schon mehr als nur seltsam.
    »Ich habe drei neue Songs«, fuhr Mave mit einem wehmütigen Lächeln fort. »Einen über ihn und zwei über Gefühle, die durch ihn freigesetzt werden.«
    »Ich begreif es einfach nicht!«
    »Nein, tut wohl keiner. Es ist eben … also ich brauche mein Unglücklichsein. Ich nutze es, ich verwandele es. Daraus entstehen meine Songs.«
    »Aber … wärst du denn nicht lieber glücklich?«
    »Nein, ich bin lieber kreativ. Ich weiß, das hört sich bescheuert an, aber so bin ich eben.«
    Astor betrachtete Maves Gesicht ganz genau: den kleinen traurigen Mund, das zarte spitze Kinn und die riesigen runden Augen. Es stimmte schon, es war fast unmöglich, sich Mave glücklich vorzustellen. Sie schien einfach nicht dafür gemacht.
    »Nicht bescheuert«, sagte Astor. »Aber ich bin lieber so, wie
ich
bin. Ich hole mir, was ich will.«
    Auch Mave betrachtete Astor jetzt ganz genau. »Ja, das kannst du aber nur, wenn du weißt, was du willst.«
    Astor fand Maves direkten konzentrierten Blick beunruhigend.
    »Hm, tja, ich weiß nicht mal, ob die Band deine neuen Songs überhaupt noch spielen wird, so, wie die Lage jetzt ist.«
    Mave stand auf, um zu gehen. »Das macht nichts«, sagte sie. »Ich kann sie mir selbst vorspielen.«

• 66 •
    Etwas tat sich auf den Straßen von London. Es war noch nichts Bestimmtes, nur ein leises Summen von Aktivität. Aber ein Summen, das vorher nicht dagewesen war.
    Reeth wiederholte ständig die Drohung der Plutokraten mit dem alternativen Plan. Noch vier

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