Song of the Slums
konventionell, zu nervös. Aber ich bitte Sie, mir zu glauben, dass meine Gefühle echt sind.«
Er blickte sie mit seinen großen melancholischen Augen wehmütig an.
»Gut. Ich glaube Ihnen«, lenkte Astor ein.
»Ich bin aber nicht vollkommen gehemmt«, fuhr er fort. »Erinnern Sie sich, als Sie im Schulzimmer Klavier spielten? Sie kamen mir vor wie ein musizierender Engel. Mein Herz ist fast dahin geschmolzen. Das müssen Sie doch bemerkt haben.«
»Vielleicht.«
»Und ich habe sie wieder und wieder angesehen, so viele Male. Ich konnte meine Augen einfach nicht von Ihnen lassen.«
»Viele Männer haben mich schon angesehen«, sagte Astor. »Angucken ist keine Leistung.«
Er seufzte und ließ sich nun auf beide Knie fallen. »Ich weiß, dass ich Sie nicht verdiene. Ich bin keine sehr starke Persönlichkeit. Ich denke zu lange nach, bevor ich etwas in die Tat umsetze, und verpasse dann immer den richtigen Zeitpunkt. Ich kann Ihnen ein Leben in Reichtum und Luxus bieten, aber ich weiß, dass ich selbst nicht viel zu bieten habe. Es ist wahr. Ich bin weder mutig noch tapfer oder besonders geistreich oder temperamentvoll – es gibt sicherlich einhundert negative Dinge, die man über mich sagen kann. Aber ich bin kein schlechter Mensch, und ich habe niemals irgendjemanden absichtlich verletzt. Das eine Versprechen, dass ich Ihnen geben kann, wenn Sie mich heiraten, ist, dass Sie für den Rest Ihres Lebens geliebt und umsorgt sein werden.«
Das war die längste Rede, die Astor je von ihm gehört hatte, und sie hegte keinerlei Zweifel an seiner Ernsthaftigkeit. Aber ernsthafte Gefühle ließen nicht zwingend Taten folgen.
»Sie würden mich jetzt also heiraten, selbst wenn Ihre Brüder Ihnen dann keinen Penny mehr zahlten?«
»Das wird nicht mehr geschehen. Ich würde niemals um Ihre Hand anhalten, wenn ich Sie nicht versorgen könnte. Das wäre weder recht noch billig. Aber Sie sind ja nun keine Hauslehrerin mehr.«
»Aber ich bin auch nicht die Tochter eines Plutokraten.«
»Nein, aber Sie sind ein Riesenerfolg. Eine berühmte Künstlerin. Meine Brüder machen sich nichts aus Musik, aber sie lieben den Erfolg.«
»Also müssten Sie jetzt nicht mehr um mich kämpfen?«
Lorrain schien die Ironie nicht wahrzunehmen. »Oh, es wird schwer werden. Sie würden sicherlich nach wie vor die Tochter eines Plutokraten vorziehen. Aber ich
werde
um Sie kämpfen. Es wird schwer werden, aber es ist nicht aussichtslos. Die beiden haben ihre Einstellung soweit geändert, dass ich es schaffen sollte.«
»Das ist gut.« Astor zog eine Augenbraue in die Höhe. »Leider habe ich mich auch verändert. Sehen Sie mich an.«
Sein Blick war verzweifelt. »Wie bitte?«
»Sehen Sie genauer hin.« Sie zeigte auf ihr Haar.
»Es färbt sich weiß.«
»Sie haben das bemerkt?«
»Natürlich habe ich das.«
»Aber haben Sie auch begriffen, dass es schlimmer und schlimmer wird? Es wird weiter wachsen, bis meine Haare vollkommen weiß sind. Wie die einer alten Frau.«
»Und für mich werden Sie genauso schön sein wie immer.«
»Meinen Sie das ernst?«
»Sie werden umwerfend aussehen, wenn Ihr Haar vollkommen weiß ist. Nicht wie eine alte Frau.«
Sie sah ihm in die Augen und stellte fest, dass er wirklich meinte, was er sagte. Er war vielleicht verrückt oder blind, aber er war tatsächlich davon überzeugt, dass sie mit vollkommen weißem Haar umwerfend aussehen würde.
»Nun denn«, war alles, was ihr einfiel zu sagen. Sie sonnte sich in seinem bewundernden Blick.
»Sie haben mir noch immer keine Antwort gegeben«, sagte er zaghaft, nach einem kurzen Schweigen.
»Ich muss nachdenken. Haben Sie Ihren Brüdern schon etwas angedeutet?«
»Noch nicht. Aber ich
werde
sie dazu bringen, zuzustimmen. Ich werde Sie nicht wieder ziehen lassen.«
Astor musste lächeln. »Sie klingen sehr entschlossen.«
»Sie müssen natürlich auch die Zustimmung Ihrer Eltern einholen.«
»
Falls
ich Ihren Antrag annehme. Ich habe bislang weder ja noch nein gesagt. Ich brauche mehr Zeit.«
»So viel Sie möchten.«
»Und bitte hören Sie auf, vor mir zu knien.«
Er erhob sich und stand nun kerzengerade da. »Darf ich Sie auf den Dachgarten zurückgeleiten?«
»Nein, ich finde es sehr bequem hier. Ich würde gerne noch bleiben und über Ihren Antrag nachdenken.«
»Selbstverständlich. Darf ich Sie dann um einen Gefallen bitten?«
Sie verstand nicht, bis er ihre Hand ergriff. Sie musste schmunzeln, als sie seinen zaghaften hoffnungsvollen Blick
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