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Song of the Slums

Song of the Slums

Titel: Song of the Slums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland
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ein ums andere Mal wiederholte, kaum noch wahr. Als er aber weiter in den Raum trat und ihre Mutter am Arm packte, war sie wieder ganz aufmerksam. Plötzlich hatte sich sein Ton geändert, jetzt klang er eher wehleidig.
    »Ich will nichts mehr davon wissen, Mrs Dorrin.« Er sprach, als sei Astor nicht anwesend. »Ich muss einen klaren Kopf bewahren. Morgen muss ich meine Rolle als Soldat und Befehlshaber erfüllen. Ich muss dieses ganze Durcheinander vergessen. Kommen Sie jetzt mit mir.«
    Er machte auf dem Absatz kehrt und hielt seine Frau dabei fest an seiner Seite. Sie hatte keine Wahl, als ihm Schritt für Schritt aus dem Trophäenraum zu folgen. Aber ganz fertig war er dann doch noch nicht. Denn kaum war der Marshal durch die Tür geschritten, knallte er sie zu und tauchte den Raum in komplette Dunkelheit. Einen Moment später hörte Astor, wie die Tür von außen abgeschlossen wurde.

• 71 •
    Astor lief zur Tür, fand den Knauf und drehte ihn. Es war natürlich sinnlos. Sie versuchte, an der Tür zu rütteln, aber sie war aus solider Eiche gearbeitet. Es hätte schon eines Rammbocks bedurft, um sie aufzubrechen.
    Doch nachdem sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, merkte sie, dass der Raum, durch das Licht, das unter der Türritze hindurch schien, ein klein wenig erhellt wurde. Mit der Zeit konnte sie sogar ganz schwach die Konturen der Tierköpfe erkennen sowie einige Kisten in den hinteren Ecken des Raumes.
    Von ihrem eigenen Stiefvater gefangengehalten … und doch konnte sie ihn nicht hassen. Sie hatte ihn gehasst, als er sie für den Rest ihres Lebens zu einer Hauslehrerin machen wollte, denn damals sah sie in ihm noch den Kriegshelden und eine Person mit Autorität. Nun erschien er ihr viel kleiner – eine traurige Figur. Mittlerweile hatte sie nicht mehr genug Respekt vor ihm, um ihn hassen zu können.
    Sie machte sich daran, die Kisten zu untersuchen. Sie waren mit Felldecken und Lederhäuten bedeckt. Darunter befanden sich Truhen mit Messingbeschlägen – alle mit Vorhängeschlössern gesichert. Sie griff sich ein paar der Decken und machte sich ein Lager daraus. Da saß sie nun an die Wand gelehnt mit einem Schaffell über den Knien und betrachtete ihre Lage.
    Jetzt stand jedenfalls außer Frage, ihren Stiefvater um seine Zustimmung zu einer Hochzeit mit Lorrain Swale zu bitten. Aber das machte nichts, denn sie wollte Lorrain sowieso nicht mehr heiraten. Ihre Mutter hatte recht. Der Triumph, den diese Heirat bedeutete, hatte sie gereizt, aber sie würde Lorrain niemals wirklich lieben können. Es würde niemals zwischen ihnen funken, so wie es zwischen ihrer Mutter und ihrem Vater gefunkt hatte.
    Lorrain abzuweisen bedeutete natürlich auch, auf Komfort, Sicherheit und den Lebensstil, den sie sich immer erträumt hatte, zu verzichten. Aber waren das überhaupt noch ihre Träume? Sie war nicht mehr das Mädchen von vor drei Monaten, das nach Swale House gekommen war, weil es erwartete, sich zu verloben.
    Wenn sie die letzten drei Monate Revue passieren ließ, sah sie schon, dass sie nicht einfach angenehm gewesen waren. Trauer neben Ruhm, Schrecken und Freude, schlechte Zeiten und gute. Nein, ganz und gar nicht
angenehm
, aber sehr, sehr aufregend! Der Nervenkitzel während der Flucht aus Swale House … der Adrenalinstoß, vor einem feindlichen Publikum aufzutreten … die erschreckende Konfrontation mit Scarrow und seiner Pistole … Ihr
gefiel
diese Intensität, die der Kampf ums Überleben am Rande der Gesellschaft mit sich brachte! Ihr neues Leben war besser als ihre alten Träume!
    Und wenn es um die Band ging, wollte sie eigentlich wirklich diesen einfachen Weg nach ganz oben? Das Geld und die Macht der Swales garantierte ihnen sofortigen Erfolg – aber die Vorstellung, sich aus eigener Kraft nach oben zu kämpfen, schien ihr jetzt viel aufregender!
    Und dann gab es da noch einen ganz anderen Gedanken – aber den schob sie einfach weg. Sie wurde unruhig, warf das Schaffell von sich, sprang auf die Füße und ging, um wieder an der Tür zu rütteln. Dieses Mal versuchte sie, dabei so viel Krach wie möglich zu machen.
    »Lasst mich raus! Lasst mich
raus
!«, schrie sie, bis sie heiser war.
    Auf der anderen Seite der Tür herrschte nur Stille. Den Bediensteten musste befohlen worden sein, sie zu ignorieren.
    Sie begab sich wieder zu ihrem Lager an der Wand und kuschelte sich unter das Schaffell. Es kam ihr vor, als machten sich die ausgestopften Tierköpfe über sie lustig. Der

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