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Song of the Slums

Song of the Slums

Titel: Song of the Slums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland
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lief die Seitenstraße hinab und bewegte sich dabei mit übertriebener Heimlichkeit. Astor musste rennen, um mit ihm Schritt zu halten.
    »Dugard Lane«, rief er ihr zu, als sie um eine Ecke bogen. Dann, an der nächsten Kreuzung, »Renfrew Road«. Und ein Stück weiter »Gilbert Road« und »Wincott Street«.
    Auch wenn sie eine wenig belebte Route eingeschlagen hatten, konnte Astor hören, wie weitere Milizionäre in den Hauptstraßen lärmten. An einer Stelle konnte sie kurz eine ganze Kompanie sehen, die wie zu einer Parade aufmarschiert war und deren Anführer eine Ansprache hielt. Zum Schluss verließen sie die Seitengassen und begaben sich auf eine Hauptstraße. Der Junge guckte prüfend in alle Richtungen.
    »Kennington Road ist sicher«, sagte er und zeigte auf eine Ecke. »Walnut Tree Walk liegt etwa fünfzig Meter weiter zu deiner Rechten. Von hier musst du es alleine schaffen.«
    »Ich danke dir. Wie heißt du eigentlich?«
    »Smidgie.« Er tippte mit einem Finger gegen einen seiner Nasenflügel. »Aber das ist geheime Information. Behalt sie für dich.«
    »Du lebst hier wohl, so gut wie du dich in den Straßen auskennst.«
    »Näh. Ich komme von den Battersea Slums. Is mein Geschäft, mich auszukennen.«
    »Gehörst du zu einer Slumgang?«
    »In London Town nennen wir uns Streetgangs, nicht Slumgangs. Streetkids und Streetgangs. Ich gehöre zu den Piepickers.«
    »Was weißt du über die Milizen?«
    »Manche von ihnen sind schon seit einer Woche da. Sie marschieren von überall her in die Stadt. Es läuft wohl auf einen großen Showdown hinaus.«
    Astor wusste, worum der Showdown gehen würde. »Morgen. Sie sollen einen Putsch gegen die Regierung unterstützen.«
    »Das weiß ich auch.« Smidgie tippte wieder gegen seinen Nasenflügel. »Aber kein Wort darüber, klar?«
    Astor fragte sich, woher er das wusste – doch nur für einen Moment. Dann eilte sie auf die Kennington Road und weiter zum Walnut Tree Walk.
    Walnut Tree Walk entpuppte sich als eine schöne Straße mit teuer aussehenden Häusern. Sie lagen halb versteckt hinter Bäumen, die den Bürgersteig säumten. Die Nummer 14 war ein gediegenes Haus mit zwei Stockwerken, dessen Fenster mit weißem Stein gerahmt waren. Astor stieg die Vordertreppe hinauf und zog an der Klingelschnur. Von irgendwo tief im Inneren des Hauses war ein dumpfer Ton zu hören.
    Der Mann, der die Tür öffnete, war kein normaler Diener, sondern eine kerzengerade soldatische Gestalt in prächtiger Militäruniform. Zweifellos hatte er unter dem Marshal in einigen der großen Schlachten des Fünfzigjährigen Krieges gedient.
    »Ich bin hier, um Mrs Dorrin zu sprechen«, sagte sie.
    Der Mann trat einen Schritt zurück, um sie einzulassen, und sie fand sich in einem Foyer wieder, das eine große Halle mit einer hohen Balkendecke war. Hölzerne Treppen führten in die oberen Stockwerke, Flaggen waren an den Wänden drapiert, und der Fußboden war schwarz-weiß gefliest. Nichts war hier protzig, aber alles prachtvoll.
    »Bitte warten Sie hier, Miss. Ich hole Mrs Dorrin.«
    Die Luft im Foyer war stickig, so als seien die Bleiglasfenster seit langer Zeit nicht mehr geöffnet worden. Astor fragte sich, wie es wohl auf dem Dachgarten weitergegangen war. Ob die Band schon begonnen hatte, die neuen Versionen ihrer Songs mit Reeths Texten einzuüben, nachdem Verrol ausgeschlossen worden war, oder warteten sie, bis ihre Drummerin zurückkehrte?
    Mrs Dorrin erschien oben an der Treppe im ersten Stockwerk. Sie gab einen Freudenruf von sich. Sie war wie immer in Rosa gekleidet mit den üblichen Schleifchen und Rüschchen und Volants, und alles an ihr schien auf und ab zu hüpfen, während sie die Treppe hinuntereilte.
    »Astor, mein Liebes! Du bist gekommen!«, rief sie aus. »Ich dachte … ich habe gehofft … «
    Astor setzte ihrem Gestammel mit einer Umarmung ein Ende. Ihre Mutter duftete nach Parfüm und fühlte sich unter all den Rüschen warm und rund an. Nach der Umarmung sprachen beide gleichzeitig los.
    »Ich bin gekommen, um dir zu …«, begann Astor.
    »Was geschehen ist, tut mir so leid …«, sagte ihre Mutter.
    Nun hielten beide gleichzeitig inne. Astor hatte verstanden, dass ihre Mutter sich für die Verlobung, die keine Verlobung war, entschuldigen wollte. Eigentlich konnte keine Entschuldigung wiedergutmachen, was geschehen war … doch Astor merkte auf einmal, dass es ihr seltsamerweise inzwischen egal war. All das gehörte in eine andere Zeit, ihre Wut schien

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