Song of the Slums
hattest?«
»Womit?«
»Na, wegen Verrol und den Ladys. Du hast doch gedacht, er wäre immer unterwegs, um sich mit ihnen zu treffen. Dabei war er die ganze Zeit unterwegs, um …«
»… mit den Streetgangs zu reden!«, beendete Astor den Satz als erste.
»
Los
jetzt!«, schrie Purdy, als er sich nach ihnen umsah, bevor er in die nächste Seitenstraße abbog.
Astor und Mave rannten. Als sie die Ecke erreicht hatten, war er bereits dreißig Meter entfernt.
»Wo müssen wir denn hin?«, rief Astor.
Mave antwortete schon etwas atemlos in kurzen Satzfetzen. »Über den Fluss. Abkürzung mit Booten. Treffen in Riverside Gardens.«
Purdy führte sie erst in eine breite kurvige Allee und bog dann scharf in eine lange enge Gasse ein. Am Ende der Gasse erreichten sie eine abschüssige Straße mit sehr hohen Bordsteinen, die hinunter zur Themse führte.
Mave zeigte nach vorn. »Sind gleich da.«
Der Blick weitete sich, je näher sie dem Fluss kamen. Das Wasser war braun von Schlamm und schimmerte irgendwie ölig. Nebelschwaden wogten über der Wasseroberfläche, doch insgesamt war hier weniger Smog, als Astor seit langem gesehen hatte. Die Brise über dem Fluss musste ihn weggeweht haben. Auch der Himmel war hier klarer. Die Sonne war als eine blasse gelbe Kugel auszumachen, umgeben von zwei gelben Lichthöfen. Der äußere zog sich über den halben Himmel.
Als sie dem Fluss noch näher kamen, drang ein unverwechselbar maritimer Geruch in Astors Nase: ein Geruch nach Fisch und Seetang und Teer. Jetzt konnte sie den Kai sehen, der sich über das gesamte Südufer des Flusses erstreckte. Hunderte von Booten legten gleichzeitig ab, alle in Richtung gegenüberliegendes Ufer: Dingis, Segeljollen und andere kleine Boote. Es gab auch einige größere Lastkähne mit Schaufelrädern am Heck und Rotoren auf dem Deck. Die Rotoren drehten sich, angetrieben von dem Dampf, der aus den Enden ihrer Flügel strömte, mit großer Geschwindigkeit und trieben über Ketten und Zahnräder die Schaufelräder an.
Überall bot sich ein Bild gut organisierter Geschäftigkeit. Ein jeder schien genau zu wissen, was er tat. Ruder wurden platschend ins Wasser getaucht, Stimmen schrien Befehle, Passagiere sprangen in Boote oder warteten geduldig in einer Reihe. Die Ruderer und die Bootscrews setzten sich nur aus Erwachsenen zusammen, während die meisten der Passagiere sehr jung waren. Sie trugen schäbige Kleidung und zeigten die schnellen gezielten Bewegungen von Slumkids.
Purdy machte bei den Stufen, die zum Kai hinabführten, Halt und peilte die Lage.
»Wo ist Verrol?«, fragte Astor, als sie und Mave ihn erreichten.
Purdy zeigte in eine Richtung, und Astor sah ihn sofort. Groß, schlank und unverkennbar stand er am anderen Ende des Kais und rief die Boote auf, eines nach dem anderen. Sie wollte ihm zurufen, aber er war zu weit weg.
»Schnell«, sagte Purdy und rannte die Stufen hinab. »Bevor alle Boote weg sind.«
Und tatsächlich, die Reihen der wartenden Passagiere hatten sich gelichtet. Eine große Barkasse nahm die gesamte wartende Schlange, die Verrol beaufsichtigt hatte, an Bord. Astor musste gegen ihre Enttäuschung ankämpfen, als sie sah, wie er selbst an Deck sprang.
Aber vielleicht ist es das Beste so, sagte sie sich. Unser Moment wird noch kommen.
• 74 •
Als Astor, Mave und Purdy in einem Dingi Platz nahmen, hatte Verrols Barkasse die Themse schon halb überquert. Andere Boote bewegten sich um sie herum auf und nieder, doch sie befanden sich ganz am Ende der Flottille. Ein Großteil der Streetkid-Armee war am Nordufer schon von Bord gegangen.
Purdy saß am Bug, Astor und Mave nahmen das Heck ein. Ihr Ruderer saß mittschiffs, eine kräftig gebaute Frau mit Armen wie Baumstämme.
»Du wirst Lorrain Swale also nicht heiraten«, sagte Mave.
»Nein.« Astor sah sie verblüfft an. »Woher weißt du das?«
»Weil du Verrol willst.«
Astor zog ein schiefes Gesicht. War es wirklich so offensichtlich? »Ich glaube, du weißt das schon viel länger als ich«, antwortete sie.
Sie schwiegen. Astor blickte über das Wasser und lauschte den Wellen, die gegen das Dingi schwappten. Es gab mehrere künstliche Inseln, die in der Themse verankert waren, mit Umkleidekabinen aus Leinwand, Tauchplattformen und jeder Menge roter, weißer und blauer Wimpel.
»Hast du gehört, was er gestern gesagt hat?«, fragte sie nach einer Weile.
»Wann?«
»Kurz bevor ich ihn geohrfeigt habe. Ich glaube, er hat gesagt:
Meinst du, meine
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