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Song of the Slums

Song of the Slums

Titel: Song of the Slums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland
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hatte, gab ein Juchzen von sich. »Sie weiß es nicht!«
    »Was?« Astor fuhr sich ratlos über die Haare.
    Elvie war gnadenlos. »Dein Haaransatz ist weiß.«
    »Nein!«
    »Doch.« Elvie riss ihr in Sekundenschnelle ein paar Strähnen aus. Astor nahm den Schmerz nicht einmal wahr, obgleich er ihr die Tränen in die Augen trieb.
    »Siehste?«
    Astor konnte kaum klar blicken, trotzdem konnte sie sehen, dass etwas mit ihrer Haarfarbe geschehen war. Das eine Ende der Strähnen war vollkommen weiß.
    »Warum hat mir das niemand gesagt?« Sie wirbelte zur Band herum.
    »Es ist mir nicht aufgefallen«, sagte Ollifer.
    »Mir auch nicht«, sagte Purdy.
    Verrol kam nun mit eigenartig langsamen Bewegungen von der Probebühne auf sie zu, sagte aber nichts.
    »Aber
dir
!«, warf sie ihm vor.
    »Es wird nicht lange so bleiben«, sagte er. »Wenn es richtig durchgewachsen ist, wird das Haar wieder eine Farbe haben.«
    »Eine Farbe?« Sie starrte ihn ungläubig an. »Ja,
weiß

    »Du musst eine Art Schock gehabt haben«, sagte Elvie. Sie hatte ihren Moment des Triumphs ausgekostet und hörte sich nun halbwegs mitfühlend an. »Es heißt jedenfalls, dass so etwas daher kommt.«
    Die Tränen in Astors Augen waren jetzt nicht mehr auf den Schmerz zurückzuführen. Sie erhob sich und lief davon.
    »Lasst mich in Ruhe«, rief sie der ganzen Welt zu, und Verrol insbesondere.

• 35 •
    Astor fragte Shannet, das ernst dreinblickende Mädchen mit dem langen Gesicht, ob sie einen Spiegel besitze. Shannet besaß keinen, kannte aber jemanden, der einen hatte. Es war ein stark poliertes Stück Stahl, in dem man sich spiegeln konnte, und als Astor es über ihren Kopf hielt, konnte sie sehen, das ihr gesamter Haaransatz völlig weiß war. Ihr blieb keine Hoffnung mehr.
    Auch sie glaubte, dass der Schock für das Weiß verantwortlich war. Der schlimmste Moment in den vergangenen paar Wochen war der, als die Kriegveteranen sie in der Sackgasse bedrohten und sie sich sicher war, so gut wie wie tot zu sein. Nun hatte sie zwar überlebt, ihr Haar, wie es schien, jedoch nicht. Es handelte sich auch nicht um ein normales Grauweiß, sondern um ein intensives strahlendes Schneeweiß. Wenn ihr ganzer Kopf erst einmal damit bedeckt wäre, würde er wie ein Signallicht überall herausstechen.
    Die Leute würden sie mit siebzehn Jahren für eine alte Frau halten. In dieser Nacht weinte sie sich in den Schlaf.
    Als sie am nächsten Morgen erwachte, war sie erfüllt von unerbittlicher Entschlossenheit. Sie würde sich
nicht
selbst bemitleiden und auch mit keinem Menschen jemals wieder über den Vorfall sprechen. Das lag in der Vergangenheit! Wenn es ihr Schicksal war als Freak zu leben, dann könnte sie auch sofort beginnen, sich daran zu gewöhnen.
    An diesem Morgen machte sie sich auf den Weg zu Monias Stand auf dem Markt und bat sie, ihr die Locken abzuschneiden. Monia untersuchte den Haaransatz genau.
    »Du weißt aber, dass wir den Haaransatz färben können«, sagte sie. »Ich kann eine Paste anrühren.«
    »Aber es wird nicht wie
meine
Haarfarbe aussehen, oder?«
    »Nein, diesen Kupferton kann sicherlich niemand hinbekommen.«
    »Dann schneid es kurz. Wirklich kurz. Soll das Weiß doch zu sehen sein, mir ist es egal.«
    Monia schnitt das gesamte Haar auf eine Länge von etwa drei Zentimeter, es sah aus wie ein Helm. Monia wirkte fast traurig, als sie die abgeschnittenen Locken aufsammelte.
    »Verbrenn sie«, sagte Astor. »Schmeiß sie weg. Auf Nimmerwiedersehen!«
    Sie war sich bewusst, dass die Leute sie anstarrten, als sie auf dem Rückweg zum Schrottplatz war. Sie erwiderte die Blicke, bis die Leute wegsahen. Nie wieder in ihrem Leben würde ihr Aussehen eine Rolle spielen! Sie hatte einen Wendepunkt erreicht, und von nun an würde alles anders sein.
    Sie erinnerte sich der Worte des Swale-Mädchens:
Sie vertrauen ganz und gar auf Ihr Aussehen, um Ihren Kopf durchzusetzen
!
Hübsch aussehen ist alles, was Sie können
! Astor hasste Blanquette noch immer, aber es stimmte schon: Ihr Aussehen hatte ihr Vorteile verschafft … bei den Erwachsenen, als sie noch ein kleines Mädchen war, und bei Männern, als sie älter wurde. Aber Blanquettes anderer Anwurf stimmte nicht:
Innen sind Sie komplett hohl
!
    Astor wusste nun, dass sie mindestens zwei Stärken ihr eigen nennen konnte – Überlebenswillen und Instinkt für Rhythmus. Und Rhythmus würde ihre Zukunft sein. Ihr alleiniges Lebensziel war es jetzt, diese Band zum Funktionieren zu bekommen.

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