Sonne, Schnee und Tote
beschlossen, nichts mehr zu
sagen und biss sich auf die Unterlippe, ganz kommentarlos konnte er das Feld
dann allerdings doch nicht räumen.
„Vielleicht
überlegen Sie sich mal, wer scharf darauf war, mir diesen Fall zuzuschieben“,
murmelte er. „Oder darüber, wer die Zuständigkeitsregelung ausgehebelt hat oder
…“
„Genug,
Bloemberg! Ein Wort noch und Sie waren die längste Zeit ihres Lebens bei der
Polizei. Und jetzt raus hier! Gehen Sie mir endlich aus den Augen! Ich fasse es
nicht.“
***
Epilog
Samstag 3. Juli
Zeeland, Oosterschelde
„Hier
ist wieder Radio Rhythmus . Wir senden live vom großen europäischen
Jazzfestival in Rotterdam. Die Jungs, die ihr gerade mit ihrem Song Seahorserun gehört habt, nennen sich Jazz-iz-upz-n-downz und grüßen ihren Bassisten,
Karim, der durch einen schweren Unfall das diesjährige Festival nur vom
Krankenbett aus verfolgen kann. An dieser Stelle auch von uns: alles Gute und
eine baldige Genesung. Ihr hört Radio Rhythmus. Der einzige Sender mit dem
Jazz-Blues-Reggae-Groove in der Frequenz und jetzt geht’s weiter mit Musik …“
Bert
van Helig hatte das Kofferradio mit einer Kordel an der Einstiegsklappe zum
Niedergang festgezurrt. Die Tonqualität war lausig, auch weil Bert das Gerät
dazu nötigte, das ganze Segelboot mit maximaler Lautstärke zu beschallen.
Trotzdem war die Musik dermaßen gut, dass weder Kees noch Bert auf die Idee
kamen, es leiser- oder ganz auszuschalten. Bloembergs Sarah schipperte
über die aufgewühlte Wasserfläche des Veersemeer. Der Wind war kräftig und kam
aus Nordwest. Die Wolken hingen tief und ließen nur vereinzelt einen Blick auf
das Blau des Himmels zu. Eine Zeit lang waren die beiden hart am Wind gesegelt.
Die Böen hatten das Segel gebläht und das Boot vorangepeitscht, die Wellen
waren an die Bordwand geklatscht, die Gischt in die Höhe gespritzt.
Bloemberg
hatte insgeheim gehofft, dass ihm diese Fahrt etwas zurückgeben würde, was er
in den letzten Wochen verloren zu haben schien. Umsonst. Nicht einmal das
Segeln verschaffte ihm derzeit in irgendeiner Form Spaß oder zumindest
Ablenkung. Es brachte ihm einfach keine Erfüllung. So hatten sie nach einigen
Stunden Fock und Großsegel endlich aus dem Wind genommen und damit begonnen,
sich stumm gegenüberzusitzen, während sie der Musik lauschten.
Es
war Bert, der es nach schier endlosen Minuten nicht mehr aushielt, aus der
obligatorisch mit Bier gefüllten Kühlbox zwei Flaschen holte und das Schweigen
brach, nachdem er Kees eine davon in die Hand gedrückt hatte.
„‘s
ist wirklich traurig. Hab‘ echt gedacht, Imar wär‘ im Grunde nen guter Kerl
gewesen…“
„Hm“,
machte Kees, prostete Bert in pflichtschuldiger Dankbarkeit zu und trank.
„Ich
weiß, ich sollt nicht sagen, ich hab’s dir doch gesagt, aber ich tu’s
trotzdem.“
„Bert,
ganz ehrlich, das kümmert mich im Moment nicht die Bohne. Wenn du Streit
suchst, schnapp dir eine Möwe und berichte der von deiner Allwissenheit.“
„Ich
sach‘s ja nur. Kein Grund, mich direkt anzumaulen. Dass Van Houden dich so
fallen lässt, is‘ natürlich unter aller Kanone. Nee, nee. Das geht gar nich‘.
Hätte ich dem alten Nicolas nicht zugetraut. Un‘ von Hadosh und seiner Frau
immer noch kein Lebenszeichen?“
„Soweit
ich weiß, hat man die Suche in den Trümmern eingestellt.“
„Das
is‘ ja ein Ding. Wie wollen die denn dann überprüfen, dass deine Version der
Geschichte richtig is‘?“
„Gar
nicht. Hab‘ gehört, dass die von der Stadt heilfroh sind, dass das Gebäude weg
ist. Da wird nicht mehr viel untersucht. Vermutlich pflastern sie in ein paar
Monaten alles zu und machen einen Parkplatz draus.“
„Das
is‘ ja jetz‘ nich‘ wahr! Hast du wenigstens drauf bestanden, dass man …“
„Bert“,
mahnte Kees und kniff die Augen zusammen. Er wusste, was Van Helig sagen
wollte, war aber nicht in der Stimmung, sich gut gemeinte Ratschläge anzuhören.
Kees hatte alles versucht, um seine Version der Geschichte überprüfen zu
lassen. Er war auf taube Ohren gestoßen und hatte schließlich resigniert.
Bert
hob die freie Hand.
„Schon
gut, schon gut. Ich mein‘ nur … also … Will dir damit nur sagen: Lass den Kopf
nicht hängen, Junge. Es gibt gute und schlechte Zeiten. Flaute und Sturm. Ebbe
und Flut. Mal kommt der Wind steif von vorn‘, mal haste Rückenwind. Du musst
damit fertig werden. Das Leben is‘ kein Gummiboot und du bist‘ kein Kind mit
‘nem
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