Sonne, Schnee und Tote
Gegend
hier immer die Augen offen.“
Er
deutete mit den knochigen Fingern auf das Fenster in der Front.
„Die
Gitter - hier überall - hab‘ ich drangemacht. In der Straße wird einem sonst
alles unterm Hintern weggeklaut. Ist ‘ne schlimme Gegend.“
„Kann
ich mir denken“, entgegnete Kees und wich einen Schritt von der grünen Tür ab,
damit der alte Mann neben ihm im Flur Platz hatte.
„Bei
Abusif öffnet tatsächlich niemand“, gestand er dann. „Ich habe alles versucht.“
„Ich
sag’s ja, bei den Leuten helfen kein Klopfen und kein Klingeln. Bei denen zieht
nur die harte Tour.
Er
schob sich an Bloemberg vorbei, ehe der etwas erwidern konnte.
„Lassen
Sie mich mal machen. Ich hab hier das Sagen und den Generalschlüssel.“ Ein
Schlüsselbund klackerte und der alte Mann murmelte vor sich hin. Er wirkte
vergnügt, fast als hätte er zu lange darauf gewartet, endlich wieder einmal den
großen Reinemacher spielen zu können.
„Ah,
da haben wir ihn ja“, sagte er endlich. In seiner Stimme schwang ein
triumphaler Ton.
Der
Alte steckte den Schlüssel ins Schloss, als es hinter Bloembergs Rücken zuerst
knarrte und sich unmittelbar darauf jemand überdeutlich räusperte.
Der
Inspektor fuhr herum.
In
der geöffneten Wohnungstür stand eine Frau. Lockiges schwarzes Haar, dunkler
Teint, mittelgroß und schlank. Sie trug eine schwarze Trainingshose und ein eng
anliegendes weißes T-Shirt. Kees schätzte sie auf Mitte bis Ende zwanzig.
Als
sich ihre und Bloembergs Blicke trafen, verschränkte sie die Arme vor der
Brust, von der sie nicht allzu viel aber auch nicht allzu wenig besaß. Dafür
trug sie ein umso intensiveres Funkeln in den dunklen Augen und einen Gesichtsausdruck,
der auf höchstes Missfallen hindeutete. Er blieb nicht lange auf Kees haften,
sondern wanderte sofort an ihm vorbei.
„Wenn
ich Sie wäre, Claas Mesu, würde ich das lassen“, sagte sie in perfektem
Niederländisch. Der Hausmeister hatte sie bisher nicht bemerkt und die Tür
bereits entriegelt. Jetzt drehte er sich langsam um und schaute sie böse an.
Kees stand genau zwischen ihnen und machte instinktiv einen Schritt zurück, bis
er die schimmlige Wand im Rücken spürte.
„Hör
zu, Kindchen, das hier ist eine Erwachsenenangelegenheit. Davon verstehst du
nichts, also verschwinde.“
„Ich
verstehe sehr wohl“, giftete die Frau und machte zwei Schritte in den Flur.
„Was Sie da schon wieder tun, ist Schikane und Hausfriedensbruch, unerlaubtes
Eindringen in fremdes Wohneigentum. Sie verstoßen gerade gegen das Gesetz,
Mesu“,
Der
Alte schüttelte heftig den Kopf.
„Ach
Blödsinn! Wer hier gegen das Gesetz verstößt, ist doch sonnenklar. Wenn ich
hier das Sagen hätte, Mädchen, hätte ich euch Schmarotzer vor Jahren rausgeworfen
…“
„Aber
Sie haben hier nichts zu sagen. Sie sind der Hausmeister. Sie sollten dafür
sorgen, dass hier kein Schimmel in den Ecken wuchert und dass es hier im Haus
nicht stinkt wie im Fuchsbau.“
„Woher
der Gestank kommt, ist doch wohl eindeutig …“
Die
beiden hatten Kees Bloemberg schnell völlig vergessen. Der Inspektor stand an
die Wand gelehnt neben ihnen und lauschte dem sich zunehmend verschärfenden
Streitgespräch. Beide wurden immer lauter, bis die Frau schließlich drohend den
Finger hob.
„Das
reicht, Mesu! Sie treten schon wieder über eine rote Linie. Und zwar zum
letzten Mal. Ich werde jetzt die Polizei alarmieren“, entschied sie. Die böse
Grimasse im faltigen Gesicht des Alten lockerte sichtlich auf, dann verwandelte
sie sich in ein selbstzufriedenes Grinsen.
„Mädchen,
was glaubst du, woher der Mann hier kommt?“
Er
deutete auf Bloemberg, der weiterhin seelenruhig dastand. Die Frau wandte ihm
den Blick zu und schaute ihn von oben bis unten an. Sie schien für eine Sekunde
den Faden verloren zu haben, bekam ihn aber schnell wieder zu fassen. Sie war
unbestritten eine toughe Frau, die die Ellbogen einsetzte, wenn es nötig war,
soviel stand fest.
„Kann
ich mal Ihren Dienstausweis sehen und den Durchsuchungsbefehl?“, fragte sie,
nachdem sie sich etwas beruhigt hatte.
Bloemberg
kramte in den Tiefen seines Regenmantels und fand den Ausweis.
„Ich
bin Inspecteur Kees Bloemberg und ermittle derzeit in einem Mordfall am
Wilhelmina-Pier“, sagte er und hielt ihr den Ausweis hin. Sie studierte ihn
sorgfältig, erkannte jedoch offenbar keine Anzeichen, die auf eine Fälschung
hindeuteten.
„Okay“,
sagte sie nach einer Weile. „Mein Name ist
Weitere Kostenlose Bücher