Sonne, Schnee und Tote
dem gleichzeitigen Balancieren auf dem schmalen Anleger
verlor er beinahe das Gleichgewicht, bekam sich gerade noch unter Kontrolle und
wuchtete das Teil mit einiger Mühe über die Reling.
Kees
konnte sein Fluchen, trotz der Entfernung und des Kreischens einiger - in der
Nähe um Futter kämpfender Möwen, deutlich hören.
Auf
dem Weg zum Anleger, der über eine kurze Steintreppe hinunter zum Wasser
führte, sah er auch, wie sich Bert nach getaner Arbeit mit den Händen auf den
Knien abstützte, um einen Hustenanfall ohne Gefahr des unfreiwilligen
Badengehens zu überstehen.
Als
Kees seinen ehemaligen Betreuer und Ziehvater endlich erreicht hatte, wischte
der sich gerade mit dem Taschentuch den Mund ab. Bloemberg meinte, für den
Bruchteil eines Augenblicks dunkelrote Flecken auf dem Tuch erkannt zu haben,
aber bevor er näher hinsehen konnte, hatte Bert das Tuch in den tiefen seiner
Jogginghose verschwinden lassen. Er hob den Kopf und rang sich ein Lächeln ab.
„Hast
also nich‘ vergessen, dass der alte Mann Wert auf Pünktlichkeit legt. Gut,
gut“, sagte er und breitete die Arme zur Begrüßung aus.
„Meine
Ohren haben es zumindest nicht vergessen“, bestätigte Kees und ließ sich
umarmen.
„Sehr
gut, sehr gut. Es is‘ alles bereit. Wir können sofort los. Hab’s nicht so lange
ausgehalten und die alte Anny allein fertiggemacht. Das Boot muss
dringend mal bewegt werden. Hatte in den letzten Wochen wenig Zeit, mich um das
Mädel zu kümmern. Du wohl offensichtlich auch nich‘. Deine Sarah da
hinten wirkt auch allein und verlassen.“
Kees
Blick folgte Berts ausgestrecktem Arm. Vier Anleger entfernt schaukelte das
Segelboot des Inspektors sicher vertäut im Wasser.
„Im
Augenblick ist es noch nicht meine Sarah “, widersprach Kees
seinem Ziehvater. „Es fehlen noch einige Raten. Die für diesen Monat bekommst
du spätestens nächste Woche. Es ist derzeit etwas knapp.“
Bert
schüttelte den Kopf.
„Junge,
lass den Blödsinn. Hab‘ dir tausendmal gesagt, dass ich für den Kahn nix mehr
haben will. Es is‘ jetzt‘ deins.“
„Du
weißt, dass ich das nicht annehmen kann. Ich bezahle meine Schulden immer, egal
wie. Und Geschenke habe ich noch nie angenommen, das müsstest du doch am besten
wissen.“
Bert
runzelte die Stirn, dann zuckte er mit den Schultern.
„Ja,
schon gut, schon gut. Wir reden später noch mal drüber. Jetzt‘ schwing deinen
jugendlichen Hintern endlich an Bord und hilf einem alten Fettsack dabei, auf
sein eigenes Schiff zu kommen. Wird’s bald?“
„Aye,
Aye, Kapitän. Als ich dich eben gesehen hab, hatte ich eigentlich gedacht du
hättest gut ein paar Kilo verloren.“
Bert
klatschte mit beiden Händen auf seine von einem weiten schwarzen T-Shirt
verhüllte Plauze.
„Nich‘
die Bohne, Kees, nich‘ die Bohne.“
„Wie
du meinst. Deine Tür ist übrigens nicht abgeschlossen …“
„Du
weißt, was ich drüber denke, also steh hier nich‘ weiter rum, wie Falschgeld.“
Bloemberg
sprang behände auf den Einmaster und half Bert danach dabei, sicher an Bord zu
gelangen.
Kurz
darauf löste er die Vertäuungen am Anleger, während Bert den Motor anwarf.
Langsam manövrierte Van Helig sie aus dem Hafen. Auf der freien Wasserfläche,
schaltete er ihn wieder aus, hisste die Segel und ließ die Anny im
leichten Wind fahren. Die Brise von West war gerade recht, um gemütlich
voranzukommen. Die Jacht glitt leise über das Wasser des Binnenmeeres. Nur
vereinzelt klatschten kleine Wellen gegen die Bordwände, ansonsten konnte man
an diesem Tag den Eindruck gewinnen, man segelte über einen ruhigen Bergsee.
***
„Weißt
du, Surveillant, jeder fängt mal ganz unten an. Uns allen wurden, als wir hier
angefangen haben, die übelsten Aufgaben zugedacht. Das ist ganz normal. Also,
nichts für ungut. Du hast dich gut geschlagen“, erklärte Fred Maartens und
verpasste Ronald Rudjard einen unerwartet kräftigen Schulterklopfer, sodass der
junge Mann vorwärts stolperte und beinahe vornüber fiel.
„Äh
… habe mir schon so was gedacht.“
„Na
wunderbar, Jungchen. Ich sehe, wir verstehen uns.“
„Äh.“
„Nun
also, jedenfalls hast du deine Aufgabe pflichtbewusst erfüllt. Ich werde das
bei Van Houden gleich lobend zur Sprache bringen.“
„Danke,
Commissaris.“
„Kein
Thema. Jetzt solltest du aber dringend duschen gehen und die Kleidung wechseln.
Es war ja nicht geplant, dass du letzten Endes doch noch in den Container
fällst.“
„Äh,
nein
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