Sonnenfeuer
Hausmädchen gerät!« Mit Genugtuung sah Cornelia, wie Perfy zusammenzuckte und errötete; jetzt würde sie mit ihr abrechnen. »Unsere Freunde fragen sich auch zu Recht, wie Sie meinen Sohn dazu gebracht haben, daß er Ihnen sein Erbe vermacht.« Drohend erhob sie den Zeigefinger. »Haben Sie Darcy etwa verführt? Ich neige zu der Vermutung, daß Sie gar nicht das brave kleine Mädchen sind, das Sie uns immer vorgespielt haben – zumal ich erfahren habe, daß Sie hier in Bowen noch einen anderen Mann gehabt haben, einen Seefahrer noch dazu.«
»Wie können Sie es wagen!« entsetzte sich Perfy, doch wider Erwarten schwieg ihre Mutter.
Cornelia fühlte sich durch das Schweigen bestätigt und fuhr fort: »Und wie war das mit Ben? Wahrscheinlich haben Sie auch ihn verführt. Das dürfte Ihnen unter unserem Dach auch nicht schwergefallen sein. Ich muß sagen, ich finde das alles sehr niederträchtig und gemein. Diese Sache mit Ihrem schwarzen Mädchen – keiner hat ihr auch nur ein Wort geglaubt, bloß Sie. Und ich weiß auch genau, warum. Weil Sie selbst mit Ben geschlafen haben, und Ihr stürmischer Abgang war nichts weiter als die Wut einer Eifersüchtigen.«
Blaß vor Entsetzen sprang Perfy auf. »Verlassen Sie auf der Stelle mein Haus!«, schrie sie. »Sie sind die abscheulichste …«
»Nein, Augenblick mal«, wurde Perfy von ihrer Mutter unterbrochen. Lächelnd, ja sogar lachend, ging Alice zum Kaminsims, wo ihre Brille lag, setzte sie sich auf und nahm Cornelia in Augenschein. Schließlich brach sie in ein fröhliches, dröhnendes Gelächter aus. »Eine prächtige Vorstellung«, sagte sie schließlich zu Cornelia. »Du mußt ja jahrelang dafür geübt haben, Nellie.«
»Wie bitte?« erwiderte Cornelia herablassend.
»Ach, blas dich doch nicht so auf, Nellie«, entgegnete Alice. »Die ganze Zeit habe ich dagesessen und nachgedacht, woher ich dich kenne, und jetzt weiß ich’s. Du bist Nellie Crabtree. Eine richtig feine Dame!« Sie wandte sich zu Perfy. »Sie ist weder fein noch eine Dame, sie kommt genau wie ich aus Bethnal Green. So ziemlich das schlimmste Elendsviertel in ganz London, so was hast du noch nie gesehen, Perfy. Unsere Nellie hier war unter anderem ein Langfinger, eine Taschendiebin.«
»Das muß ich mir wirklich nicht bieten lassen«, ereiferte sich Cornelia und griff nach ihrer Handtasche. »So unverschämte Lügen habe ich ja noch nie gehört.«
»Mach mal halblang! Vorhin hast du geredet, jetzt bin ich dran. Du und dein Freund Clem Bunn, ihr wart zwei richtig gemeine Schufte. Ich muß es ja wissen, Clem Bunn war schließlich mein Vetter. Du hast ihn geheiratet, oder es zumindest geglaubt. Tatsächlich war er schon mit Hetty Cornish verheiratet, aber als sie die Schwindsucht bekommen hat, hat er sie nicht mehr brauchen können. Und so hat er sich mit dir zusammengetan. Er hat von dir geschwärmt, du hättest Hände wie Samt. Als sie ihn erwischt haben, hat er dir ausrichten lassen, du sollst die Kaution stellen, damit er rauskommt. Aber du hast dich mit all seinen Sachen aus dem Staub gemacht.« Alice lachte. »Bist einfach mit seinem Geld durchgebrannt und hast ihn sitzenlassen. Was aus Clem dann geworden ist, weiß ich nicht.«
Erstaunt sah Perfy zu Cornelia. »Er ist auf Caravale begraben, nicht wahr? In diesem namenlosen Grab. Ich bin mir ganz sicher.«
Cornelia wankte zur Tür. Sie mußte weg von hier! Alices Enthüllung hatte sie so in Schrecken versetzt, daß sie schon fast vergessen hatte, warum sie eigentlich gekommen war. Clem Bunn war schon immer verheiratet gewesen! Jetzt erinnerte sie sich auch an die magere, kränkliche Hetty Cornish. Seine Frau! O Gott, nein! Und sie hatte ihn erschossen, obwohl es gar nicht nötig gewesen wäre. Sie war nie seine Frau, sie war rechtmäßig mit Teddy verheiratet gewesen!
Sie stürzte zur Haustür hinaus und rannte über die Veranda. Clem Bunn hatte für seine Lügen mit dem Leben bezahlt. Und der Mord an ihm hatte sie um Caravale gebracht!
Ein Mann kam ihr am Gartentor entgegen, doch sie schob ihn beiseite und stolperte auf die Straße hinaus. Mit gesenktem Kopf hastete sie weiter, blieb dann aber plötzlich vor einer Taverne stehen, wo sie einem Burschen Geld gab, damit er ihr eine Flasche Gin kaufte. Nachdem sie die Flasche bekommen und in ihrer großen Handtasche verstaut hatte, eilte sie ins Bellevue Hotel; die Leute, die sie in der Empfangshalle grüßten, beachtete sie gar nicht. Auf ihrem Zimmer bereitete sie sich einen
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