Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)
Stirn, nickte aber. Vorsichtig warf er Klänge über die Bäume und suchte unterhalb der Äste nach den typischen Formen von ruhenden Fledermäusen. Nichts bislang ... nur Blätter ... mehr Blätter ... und dann bewegte sich etwas, etwas viel Größeres als das, wonach er gesucht hatte. Nur nach Fledermäusen hatte er mit einem eng gebündelten Klangstrahl Ausschau gehalten, aber nun schreckte er alarmiert zurück: Er sah einen riesigen gefiederten Kopf mit hornförmigen Ohren.
Mit hämmerndem Herzen ließ er sein Echosehen über die Äste gleiten und dann in die nahen Bäume.
Der Wald war voller Eulen.
„Marina ...“, hauchte er.
„Ich sehe sie. Gut, dass du nicht gerufen hast.“
Er hatte noch nie so viele Eulen an einem Ort gesehen und er bezweifelte, dass irgendeine Fledermaus seit der Rebellion vor fünfzehn Jahren je so viele auf einem Haufen gesehen hatte. Schon drei Dutzend hatte er gezählt. Sie schliefen anscheinend, und Schatten wollte, dass es dabei blieb. Aber was machten sie hier – in einem Wald, der dem der Fledermäuse glich?
„Wir müssen zurück“, sagte Marina mit gepresster Stimme.
Schatten nickte, aber erschrocken merkte er, wie weit sie schon auf dem Bach entlanggetrieben waren. Die Tunnelöffnung war hinter einer Biegung verschwunden. Wie dumm! Er hatte vergessen, wie schnell die Strömung war. Unbeholfen paddelte er mit den Flügeln, aber er erreicht nicht viel mehr als auf der Stelle Wasser zu treten.
„Das nützt nichts“, zischte Marina. „Das dauert zu lange.“
„Wir müssen fliegen“, sagte Schatten.
Marina zog eine Grimasse, und auch Schatten gefiel die Idee nicht. Zu fliegen bedeutete das Risiko, dass eine unruhige Eule sie entdeckte. Aber einmal in der Luft würden sie es wahrscheinlich in weniger als einer Minute zurück zum Tunnel schaffen.
„Das war eine schlechte Idee, nicht wahr?“
„Entschieden“, sagte Marina. „Lass uns rausklettern.“
Verstohlen zogen sie sich auf das Ufer hinauf und schüttelten geräuschlos das Wasser aus dem Fell und von den Flügeln. Schatten wusste, eigentlich sollten sie warten, bis sie trocken waren, aber sie hatten keine Zeit. Er konnte nur hoffen, dass sie sich nicht zu sehr voll gesogen hatten. Unbeholfen sprang er in die Luft. Er war schwer und musste heftig mit den Flügeln schlagen. Mit Marina flog er niedrig durch den Wald und zurück zum Anfang des Baches. Da war er.
Am Ufer ließen sie sich nieder. Das Wasser kam aus dem Tunnel herausgeschossen mit Schaum an den Rändern. Ihm war nicht klar gewesen, wie schnell es war. Beinahe waren sie ertrunken, als sie mit der Strömung gekommen waren. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie lebend zurückkehren könnten. Sein Magen krampfte sich zusammen. Er schaute Marina an. „Es tut mir Leid“, sagte er.
Sie bebte vor Zorn. „Ich kann es nicht glauben, dass ich zugelassen habe, dass du das tust.“
„Du musstest ja nicht ...“
„Denk nur mal nach, okay, denn...“
„Fledermäuse!“
Das Erste, was Schatten sah, waren die Beine, diese erstaunlich langen Beine, die herunterhingen, als ob sie keine Knochen hätten, aber mit vier Klauen an den Enden, bereit alles zu zerreißen. Die Eule stürzte auf sie herab wie ein großer Kopf mit Flügeln, mit offenem Schnabel, und kreischte, um den Wald zu wecken.
Schatten flog zusammen mit Marina auf, seitwärts in ein dichtes Gewebe von Ästen. Die Eule stürzte knapp an Marinas Schwanz vorbei.
„Fledermäuse!“, kreischte die Eule noch einmal. Schatten sah, dass die Eule ein junges Männchen war. An den Flügeln hingen noch Spuren des Daunenkleides. Aber auch so war diese Eule ein Riese im Vergleich zu ihm selbst. Auf ihrer Brust bildeten die gefleckten Federn ein Muster von weißen Blitzen. Überall um sie herum wachten die Eulen auf und in Sekundenschnelle wurde die Luft von Flügeln gepeitscht. Während Schatten durch gereckte Krallen und zwischen Beinen hindurch und über geflügelte Köpfe hinweg alles nur verschwommen wahrnahm, durchmusterte er verzweifelt den Wald nach einem Versteck. Es war nur noch eine Frage von Sekunden, bevor er gepackt und aufgefressen würde. Er entdeckte ein Astloch in einem Baum, zu klein für Eulen, gerade groß genug für sie – hoffte er. Es war keine Zeit für ein genaueres Abmessen. Ängstlich sah er sich nach Marina um.
„Der Baum!“, rief er und schoss einen Klangstrahl auf ihn ab, damit sie ihn sehen konnte. Dann warf er sich auf das Astloch, schoss hinein und schlug sich
Weitere Kostenlose Bücher