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Sonnenkoenig

Sonnenkoenig

Titel: Sonnenkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Lifka
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slawischem Aussehen, trat heraus. Er starrte Ninus ungläubig an. Diesen
Moment des Zögerns nutzte Ninus, schwang sich aufs Rad und trat kräftig in die
Pedale. Die Fahrt dauerte nicht lange. Einem Blumenkübel, der sehr dekorativ
mitten im Weg stand, konnte er nicht mehr ausweichen, stieß dagegen und das Rad
kippte samt Ninus um. Der Detektiv rollte sich instinktiv zur Seite ab und
landete punktgenau vor den Füßen des Langhaarigen. Als er nach oben blickte,
sah er hauptsächlich die Mündung einer Pistole.
    »Langsam aufstehen«, kam es hinter
der Pistole hervor. Langsam war noch nie Hagens Ding gewesen. Mit voller Anspannung
drückte er sich nach oben ab, knallte mit dem Kopf – wieder der Kopf – gegen
die Hand des Pistolenhalters, diese schlug nach oben, ein Schuss löste sich und
riss ein imaginäres Loch in den blauen Himmel. Ninus setzte nach, rammte dem
Typen im Wechsel seine rechte und linke Faust in den Magen, bis dieser mit
einem tiefen, etwas erstaunt klingendem »Uff« zu Boden ging. Leider hatte er
die Pistole nicht fallen gelassen und hob sie bereits wieder an, bevor Ninus
nochmals zuschlug.
    »Jetzt reicht es«, kommentierte
Ninus das Verhalten seines Gegners und trat mit der Wucht und Präzision eines
Michael Ballack gegen die Pistolenhand. Das Schießeisen flog in hohem Bogen
davon. Ninus spurtete sofort los, um es für sich zu erobern. Hatte er geglaubt,
sein Kontrahent würde mit ihm um die Wette laufen, hatte er sich gründlich
getäuscht. Denn als er am Landeplatz der Pistole ankam, sie aufhob und sich
umdrehte, sah er nur noch das Hinterteil des Langhaarigen, der zum Eingang des
Hauses rannte, hineinhuschte und die Tür verschloss.
    »Feigling«, knurrte Ninus. Kurzes
Überlegen, weg oder hinterher. Schnelle Entscheidung. Mit vorgehaltener Waffe
näherte sich Hagen der Eingangstür. Er drückte dagegen. Verschlossen. Er legte
sein Ohr an die Tür, um vielleicht etwas zu hören. Was er auch tat. Undeutlich,
aber einigermaßen verständlich drangen Wortfetzen durch die Tür. »Befreit … hat
Pistole … ja, Chef, versuche es … ist weg … okay, Chef …«
    Nicht gerade ein sehr sinniges
Gespräch. Der langmähnige Osteuropäer hatte eindeutig mit seinem Boss
telefoniert, was Ninus wiederum klar bedeutete, sich möglichst schnell vom
Acker zu machen, besser gesagt vom Hof. Der zweite Versuch, in die Tour de
France einzusteigen, war wesentlich erfolgreicher. Als er durch den großen,
sehr hohen Torbogen radelte, lag plötzlich malerisch das Rheintal vor ihm.
Unter ihm erstreckten sich Steilhänge, voll mit Rebenzeilen, die in Reih und
Glied akribisch nebeneinander angeordnet waren. Sie endeten unten im Tal, wo
sich Häuser und Straßen anschlossen. Dahinter funkelte im Licht der Sonne das
Wasser des Rheins, auf dem sich Frachtkähne flussauf- und abwärts schoben.
Dahinter wieder eine Kette von Dörfern und größeren Ortschaften. Der Blick
schien ins Endlose zu gehen, besser gesagt, bis zu dem Punkt, wo sich am Horizont
Himmel und Erde vereinigten. Ninus nahm dies quasi nur en passant wahr, wie der
Schachspieler sagt. Verständlicherweise, denn er hatte sich entschieden,
querfeldein zu fahren, auf einem schmalen Pfad also zwischen zwei Weinlagen
hindurch talwärts zu holpern. Um nicht nochmals zu stürzen, musste er sich
konzentrieren, das Lenkrad fest im Griff haben und mehr bremsen als radeln.
Tiefe Schlaglöcher und hochstehende Steine zwangen ihn zu waghalsigen Manövern.
Wenn es die Wegsituation erlaubte, blickte er sich um, ob er verfolgt wurde.
Tatsächlich sah er, wie der Jeep jetzt aus dem Weingut geschossen kam und auf
der kurvenreichen Straße ebenfalls talwärts raste. Wenn Hagen nicht alles
täuschte, musste er sich oberhalb Erbachs befinden. Mit dem Stichwort Erbach
blitzte Carlas Name auf. Jetzt nicht, rief er sich selbst zur Ordnung. Erst
musst du heil dort unten ankommen, dann eine Fahrgelegenheit nach Wiesbaden
finden, dann zu Beppo gehen, dann … oder erst telefonieren, mit Beppo oder mit
Carla, mich abholen lassen … Noch voll im Planungsstadium erreichte Ninus, ohne
ein einziges Mal gestürzt zu sein, den Ortseingang von Erbach. Da er weder Geld
noch ein Telefon hatte, radelte er, was das Zeug hielt, die Straße hinunter,
überquerte den Marktplatz – von dem Jeep war nichts zu sehen –, bog in die
Hauptstraße und von dort in die Rheingasse ein. Unten, an der rechten
Häuserfront, erkannte er das verwelkte Buchsbäumchen, das neben Carlas Haustor
stand. Er hielt

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