Sonnenlaeufer
wollen.«
Sioned wurde in einer Kammer neben ihrem Hauptgemach allein gelassen. Sie war nur klein, erfüllte aber all ihre Bedürfnisse. Das Bad war fertig, aber eine Weile interessierte sie sich mehr für den winzigen Raum, der die Wanne enthielt. Fröhliche blaue und grüne Fliesen bedeckten den Boden und nahmen die Farben des Schlafgemachs wieder auf. Eine große, weißgestrichene Wanne war in einen geschnitzten Holzrahmen eingelassen. Waschbecken, Handtuchhalter – selbst die Toilette – waren so zart und elegant wie die Rosen in einer Keramikvase aus Kierst, die neben der Wanne standen. Ganz offensichtlich hatte Prinzessin Milar feste Vorstellungen von Komfort, sowohl für die Öffentlichkeit als auch für das Privatleben.
Wenn man einem unwichtigen Gast wie ihr einen derartigen Raum überließ, wie musste da erst der Rest der Burg aussehen? Sioned kleidete sich aus und tauchte in das kühle Wasser. Sie kam zu dem Schluss, dass Urival eines der größeren Gemächer für sie verlangt haben musste. Sie schwelgte in dem Bad, das ihren müden Körper reinigte, und war froh, dass er sich diese Mühe gemacht hatte. Aber würde sie wirklich die Herrin dieses sonderbaren Ortes werden?
Sie wusch ihr langes Haar und sah zu, wie Strähnen auf dem Wasser schwammen. Dabei fiel ihr etwas ein, was sie wusste, Rohan aber nicht. Von ihr würde seine Krone kommen, das Feuer von ihr selbst würde zu dem goldenen Reifen werden, der seine Stirn zierte. Und doch war er es, der sie zur Königin machte, wenn er sie heiratete. Sie rief sich den schmutzigen, erschöpften jungen Mann in Erinnerung, dem sie am Nachmittag begegnet war, seine ruhige Stimme und seine Fähigkeit, ihre Sinne zu erhitzen, seinen geheimnisvollen Plan, dem sie zugestimmt hatte, ohne weiter darüber nachzudenken. Er wollte sie benutzen, dachte sie plötzlich. Was war das nur für ein Mann, der Menschen so leicht ausnutzte?
Die Antwort kam aus dem praktisch denkenden Teil ihres Geistes, dem Teil, der vom Feuer unberührt war. Er war ein Prinz. Sie würde Macht und Ländereien und Ehrgeiz ehelichen, nicht einfach einen Mann. Wenn er überhaupt wirklich beabsichtigte, sie zu heiraten.
Sie erhob sich aus dem Bad und zog den Stöpsel, bemerkte, wie schnell das Wasser ablief – wahrscheinlich, um den Schmutz mitzureißen, überlegte sie –, und wusste die Wirksamkeit und Reinlichkeit zu schätzen. Während ihrer Kindheit in River Run waren sie jeden Sommer in ein nahegelegenes Herrenhaus umgezogen, damit die Räume gereinigt werden konnten. Wieder wurde ihr bewusst, wieviel Wasser es hier geben musste, wenn man es darauf verschwenden konnte, nicht nur die Körper, sondern das ganze Schloss sauber zu halten.
Nachdem sie sich abgetrocknet hatte, begab sie sich in ihr Schlafgemach und zog die Gewänder an, die man für sie vorbereitet hatte. Das Kleid passte gut, trotz Camis Befürchtungen, und es war bei weitem das hübscheste, das sie jemals getragen hatte. Sioned bürstete und flocht ihr Haar und legte dann einen zarten Schleier aus silbergrauer Seide über ihren Kopf und befestigte ihn mit einigen schlichten Nadeln. Umgeben von Kacheln, war in eine der Wände ein großer Spiegel eingelassen, und als sie sich darin betrachtete, lächelte sie. Rohan hatte sie in ihrer schlimmsten Verfassung gesehen, doch das würde nie wieder geschehen, wenn sie es verhindern konnte.
Die Dämmerung nahte, aber niemand klopfte an ihre Tür. Sioned spielte mit dem Gedanken, die Burg auf eigene Faust zu erforschen, zog es dann aber vor, in ihrem Zimmer zu bleiben und dessen Bequemlichkeit zu genießen. River Run war ein angenehmer Ort gewesen, und einige der Räumlichkeiten in der Schule der Göttin waren der Gipfel eleganten Lebens. Doch die Räume, die denjenigen zugeteilt worden waren, die dort lebten, waren nicht halb so groß oder schön wie derjenige, in dem sich Sioned jetzt befand, und sie untersuchte ihn interessiert. Das Bett war groß genug für vier Personen. Ein Stapel dicker Kissen in blauen und grünen Seidenbezügen schmückte es. Die Vorhänge bestanden nicht aus dem dicken Wollstoff aus Gilad oder Cunaxa, der für gewöhnlich im kälteren Klima verwendet wurde, sondern aus Seide, die so zart war, dass man hindurchsehen konnte. Sie waren mit winzigen, weißen Blüten bestickt. Der Zweck war natürlich, Insekten fernzuhalten, nicht, die Wärme im Haus zu bewahren. Der Boden bestand aus poliertem Holz. Bis auf einige Teppiche, die verstreut herumlagen, waren sie
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