Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sonnensturm

Sonnensturm

Titel: Sonnensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
Komarovs letzter Flug auch ein Alleinflug war.«
    »Komarov? Ach so. Der, nach dem das Shuttle
benannt wurde.«
    »Ganz recht. Komarov ist ein Held, und für die
Russen, die viele Helden haben, will das etwas heißen. Er
hat die erste Mission ihres Sojus-Raumschiffs geflogen und kam
ums Leben, als die Systeme beim Wiedereintritt versagten. Was ihn
aber zum Helden machte, war der Umstand, dass er den Flug in der
Gewissheit antrat, die Fehler des nicht getesteten Schiffes
würden die Mission zu einem Himmelfahrtskommando
machen.«
    »Dann ist das Shuttle also nach einem toten Kosmonauten
benannt. Verheißt das nicht Unglück?«
    Er lächelte. »Jenseits der Erde scheint jeder
seinen eigenen Aberglauben zu entwickeln, Professor.« Er
schaute flüchtig auf ihre leeren Schirme. »Wir pflegen
hier oben keine Geheimniskrämerei, müssen Sie wissen.
Das ist auch nicht erwünscht. Wir müssen alle
zusammenarbeiten, um zu überleben. Geheimniskrämerei
ist Gift, Professor, schlecht für die Moral. Und eine solche
Decke des Schweigens, die über Sie und Ihre Mission
gebreitet wurde, habe ich noch nie gesehen.«
    »Ich habe vollstes Verständnis für Ihre
Position«, sagte sie vorsichtig.
    Er rieb sich das stoppelbärtige Kinn mit dem
Dreitagebart; er hatte ihr gesagt, dass er sich entgegen seiner
sonstigen Gewohnheit im All nicht rasieren würde, um ihr die
Unannehmlichkeit der vagabundierenden abgescherten Bartstoppeln
zu ersparen. »Und nicht nur das«, sagte er,
»die Funkfrequenzbänder zwischen dem Mond und der Erde
sind chronisch schmal. Ein Flaschenhals. Wollte ich zum Beispiel
verhindern, dass vertrauliche Informationen an die globalen Netze
durchsickern, wäre der Mond ein guter Platz, um diese
Informationen zu schützen.«
    Natürlich hatte er Recht; es war einfacher, vertrauliche
Gespräche auf dem Mond zu führen als eigens Experten
vom Mond zur Erde zu bringen. »Aber Sie wissen, dass ich
eine Gesandte des eurasischen Premierministers bin«, sagte
sie. »Sie werden verstehen, dass die
Sicherheitsbestimmungen, denen ich unterworfen bin, auf einer
viel höheren Ebene erlassen wurden als auf meiner.« Also nerv mich nicht, fügte sie stumm hinzu. Sie
drehte sich wieder zu ihren dunklen Softscreens um. »Und
wenn Sie mich nun entschuldigen wollen…«
    »Weitere Studien? Ich glaube, dafür ist es nun
etwas zu spät.« Er warf einen Blick aus dem
Fenster.
    Die Ansicht der dräuenden Mondsichel war verschwunden und
einer Kulisse aus tiefem Schwarz und glühendem fahlem Braun
gewichen, die am Fenster vorbeiglitt.
    »Sie schauen auf den Krater Clavius, Professor«,
sagte Mario leise.
    Sie schaute wie gebannt hin. Clavius im Süden von Tycho
war ein so riesiges Becken, dass sein Boden konvex war –
aufgewölbt durch die Krümmung des Mondes. Als das
Shuttle schließlich in den Sinkflug ging, vermochte sie
kleinere Krater in diesem gewaltigen Becken auszumachen: Krater
aller Größen, Krater, die bis zur Grenze der
Sichtbarkeit sich überlagerten. Es war eine fremdartige, wie
umgepflügt wirkende Landschaft, die beklemmende
Ähnlichkeit mit einem apokalyptischen Schlachtfeld hatte.
Und dort sah sie eine feine Linie aus dem Schatten der Wand
heraustreten, einen leuchtend goldenen Faden, von dem der graue
Mondboden durchwirkt schien. Das musste die Schleuder sein, das neue elektromagnetische Startsystem – noch
unvollständig, doch jetzt schon eine mächtige, mehr als
einen Kilometer lange Schiene. Sogar von hier aus vermöchte
sie zu sehen, dass menschliche Hände das Antlitz des Mondes
berührt hatten.
    Mario beobachtete ihre Reaktion. »Es zieht Sie in den
Bann, nicht wahr?« Und er verließ die Kabine, um die
Abstiegsprotokolle abzuarbeiten.

 
{ 10 }
KONTAKTLICHT
     
     
    Die Clavius-Basis war um drei große aufblasbare Kuppeln
errichtet worden. Die Kuppeln waren durch transparente
Laufgänge und Suboberflächentunnels miteinander
verbunden und zum Schutz vor der Sonne, kosmischer Strahlung und
anderen Widrigkeiten mit Mondstaub bedeckt. Infolgedessen wirkten
die Kuppeln aus der Vogelperspektive wie ein Teil der
Mondlandschaft, als ob sie aus dem graubraunen Regolith gequollen
wären.
    Das Shuttle Komarov landete ohne weitere
Formalitäten einen halben Kilometer neben den Hauptkuppeln.
Der Staub, den es aufwirbelte, fiel wie in Zeitlupe auf den
luftlosen Mond zurück. Es gab keine Startrampen, nur viele
flache Druckwellenkrater, die Narben vieler

Weitere Kostenlose Bücher