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Sonnenwende

Sonnenwende

Titel: Sonnenwende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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»Vielleicht lassen wir es lieber.«
    »Ja, wahrscheinlich. Mach dir nichts draus.«
    Er war erleichtert, sagte aber trotzdem noch einmal: »Tut mir leid«, weil er das Gefühl hatte, dass sie das von ihm erwartete.
    |91| Wenn er nur ein bisschen unsicher gewesen wäre, dachte Sandra, das hätte ja ganz lustig sein können, aber dass da
so
ein schwammiger Typ zum Vorschein kommen musste … »Aua, du tust mir weh, entschuldige bitte« – so was nannte sich ein Mann! Und ständig entschuldigte der sich für irgendwas.
    ***
    Nach einigen Tagen schon kam Tom der Abend mit Sandra sehr weit weg vor. Die Erinnerung daran rieb zwar noch etwas am Zwerchfell, aber nicht, weil er Helen gegenüber ein schlechtes Gewissen gehabt hätte, sondern weil es so eine beschämende Aktion gewesen war, die jetzt als dunkle Wolke in seiner Vergangenheit umherzog.
    Das Problem war: Es hatte nicht geholfen. Niemandem. Ebenso gut konnte man versuchen, Hunger mit Kaugummi zu stillen. Tom erkannte zwanghafte Züge an seiner Idee, was nicht besonders schwierig war. Wie war er nur darauf gekommen? »Geh mit einer anderen ins Bett, und erlebe deine Beziehung neu« – was für ein Quatsch. Er musste schon ganz schön verzweifelt sein, wenn er sich einbildete, die Probleme ihrer Beziehung könnten sich auf diese Weise lösen lassen. »Kann helfen«, hatte Charlotte gesagt. Ihr vielleicht, ihm nicht.
    Zwischen Helen und ihm änderte sich nichts: Momente kurzer Gemeinsamkeit wurden von langen Phasen geschluckt, in denen sie sich das Leben schwermachten. Die Eisdecke ihrer Beziehung war so dünn geworden, dass bereits kleinste Erschütterungen ausreichten, sie einbrechen zu lassen. Bemühte er sich, blockte sie ab, zog er sich zurück, warf sie ihm vor, er verrate ihre Beziehung. Und Helen sah ihren Freund, wie er sich in alle möglichen Richtungen verbog und dabei ziemlich hilflos wirkte, was es ihr nur noch schwerer machte, länger zu ihm aufzusehen.

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    |92| Franziska
    Um Franziska nicht begegnen zu müssen, ging Wladimir jetzt schon seit Wochen nicht mehr ins Fitnessstudio. Noch war das kein Problem, man konnte schwimmen, laufen und radfahren. Bald aber war der Sommer vorbei, was sollte er dann machen? Er konnte sich schlecht nur wegen Franziska ein neues Fitnessstudio suchen, immerhin hatte er einen Zweijahresvertrag.
    Beim Frühstück im Epikur plätscherte das Gespräch der anderen an ihm vorbei wie eine Vorabendserie. Tom war da und hatte gedämpfte Stimmung mitgebracht, weil er mal wieder Stress mit Helen hatte, Paul, der immer allen erzählte, wie viel besser es ihm doch ginge, seit er und Charlotte sich getrennt hatten, aber doch immer wie ein Cockerspaniel hinter ihr herguckte, wenn sie das Geschirr ins Café trug, und Lara, die sich zwischen den drei Männern ganz wohl fühlte, weil es mal etwas anderes war als das dauernde Kindergequatsche ihrer Freundinnen.
    Das Wort »Single« löste sich aus der Unterhaltung, arbeitete sich in Wladimirs Gehirn vor und löste einen Reflex aus: »Vernünftige Singlefrauen gibt’s doch gar nicht, die sind immer schon weg.«
    Paul: »Wir reden gerade über den neuen Song von Cat Power. Schlaf weiter.«
    »Die ist genauso krank wie alle anderen.«
    Tom: »Worüber reden wir jetzt eigentlich?«
    Lara: »Über Frauen, wie es scheint.«
    Wladimir: »Nicht, dass es irgendeinen Sinn hätte, sich über Frauen zu unterhalten.«
    |93| Tom: »Was ist dir denn über die Leber gelaufen?«
    Wladimir: »Was wohl? Eine Frau natürlich. Und ihr Freund.«
    Lara: »Wenn ich keinen Partner habe, dann bin ich auf der Suche nach einem. Ist doch normal.«
( Das
war normal?) »Also hab’ ich eben meistens einen. Wenn ich dann einen anderen Typen treffe und der sich davon abschrecken lässt – Pech gehabt.«
    Wladimir traute seinen Ohren nicht. Das Gespräch um ihn versank erneut in Nebel. Nach und nach nahm aus diesem Nebel heraus eine Erkenntnis Gestalt an: Es gab Frauen, die den Zustand der Nicht-Beziehung als Defekt, als persönlichen Makel empfanden und sich ohne Partner unvollständig oder minderwertig fühlten.
    Haha.
    Deshalb gab es auch so viele Frauen, die mit Typen zusammen waren, die sie strenggenommen nicht so richtig prickelnd fanden. Ach was! Mit völlig debilen Kröten tilgten sie ihr Leben, einfach weil eine Beziehung mit einem Kretin ihnen immer noch besser erschien als gar keine.
    Haha.
    »Haha.«
    Lara: »Wladimir, ist alles klar?«
    »Ich …«
    Er winkte ab. Es dämmerte ihm, dass er dieses

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