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Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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Hätte ich doch immer die Kraft, ganz mich mit ihnen abzugeben. Ich spüre nur noch Pflichten, und die Liebe, sie freudig zu erfüllen, ist mir abhandengekommen.« Am 28. Oktober rafft sich Fritz Hartnagel auf zu einem kurzen Brief: »Ich brauche noch einige Zeit, um die augenblickliche Leere in mir zu überwinden … Aber vielleicht kannst Du verstehen, dass es nicht ganz schmerzlos geht zu unterdrücken, was mir lange Zeit das größte Glück war.« Er hat keine Kraft mehr, weiter um ihre Beziehung zu ringen.
    Wieder einmal hatte Fritz Hartnagel erfahren, dass Sophie Scholl sich nicht an die Vorgaben hält, die sie sich – und Fritz – wortreich verordnet hat. Wir wissen es nur, weil sich ein Brief von ihr an Lisa Remppis erhalten hat. Er trägt kein Datum, ist aber auf jeden Fall nach dem Herbsturlaub 1940 geschrieben und auch eine indirekte Antwort auf Lisas heftige Kritik, wie Sophie den »guten, sanften Fritz« behandelt. Sophie Scholl schreibt, sie müsse sehr für die Klausurarbeiten im Fröbel-Seminar schuften und komme kaum zu anderen Dingen, zumal »die Sache mit Fritz« sie sehr in Anspruch nehme. Es sei doch nicht so einfach, wenngleich sich ihre Einstellung nicht geändert habe. Nach dieser Vorrede kommt sie zur Hauptsache: »Es kam in den Herbstferien noch was vor.«
    Es ist nicht das erste Mal in ihrer Beziehung zu Fritz Hartnagel, dass Sophie Scholl diese Erfahrung macht: Die schönen Denk-Produkte, die in Gedanken und auf dem Papier so überzeugend sind und Lösungen vorzeichnen, die praktikabel scheinen, wenn man nur genug Willen hat, sind keine Patentrezepte. Die Wirklichkeit, der Mensch mit seinen Gefühlen und Sehnsüchten geht im Denken und im verstandesmäßigen Agieren nicht auf. Aus Sophie Scholls subjektiver Sicht ist sie in den Ferien wieder »schwach« geworden. Mitleid sei Schwäche, hatte sie Fritz Hartnagel einst geschrieben. Der Brief an Lisa Remppis schließt mit dem Hinweis auf ihre inneren Widersprüche, die sie schon lange begleiten: »Ich glaube, ich muss im Ungewissen sein, hungrig, wenn ich etwas lieben soll. Und sehne mich nach Gewissheit – es sind die blödesten Gegensätze …«
    Am 4. November packt Sophie Scholl ein Päckchen für Fritz Hartnagel und zeigt ihm, wie sehr sie verunsichert ist: »Denn ich weiß ja gar nicht, wie es Dir geht und wo Du bist. Weil Du so stumm bist. Du machst uns viel Angst mit Deinem Schreiben. … so schreib mir doch! Was ist denn geschehen?« Vorbei ist es mit dem lockeren Ton. Dann weist sie im Dickicht der gegenseitigen Vorwürfe und Verletzungen einen neuen Weg. Sie ist überzeugt, sie können auf eine besondere Weise zusammenbleiben – wenn Fritz Hartnagel sich auf ihre Vorstellungen einlässt. Anknüpfungspunkt ist seine Aussage, er fühle einen neuen Boden; darüber habe sie sich gefreut: »Denn wenn man diesen Boden ahnt, dann tappt man nicht mehr ganz ziellos. Und ich glaube wohl, dass Du in Zukunft weißt, was Du tun musst, wenn Du auf diese Stimme hörst.« Es bleibt dabei: Sophie Scholl will nicht mehr sein Bezugspunkt sein. Ihre Gemeinsamkeit soll außerhalb von ihnen verortet sein: »Denn die Fäden der Beziehung laufen nicht mehr zwischen Dir und mir, sondern zwischen uns und etwas höherem. Und dieser Zusammenhang ist doch der bessere.« Eine Beziehung ohne Gefühle? Zumindest für die nächste Zeit möchte Sophie Scholl sich ihre Gefühle abgewöhnen.
    Fritz Hartnagel sieht darin keinen Hoffnungsschimmer. Er ist »in jeder Beziehung auf einem Null-Punkt angekommen«. Verzweifelt gesteht er ihr: »Da ich nicht weiß, zu wem ich beten soll, so bete ich zu Dir, liebe, liebe Sophie.« Da explodiert Sophie Scholl: »Warum besinnst Du Dich nicht auf Dich selbst? Suche Dir doch einen höheren Trost als Träume.« Er soll nicht in jeder freien Stunde an sie schreiben: »Könnte ich Dich so hart machen, wie Du jetzt sein musst.« Sie verliert die Geduld, und fühlt sich zugleich herausgefordert, ihre Vorstellungen noch präziser zu erklären: »Ich glaube auch an ein Miteinander, aber an ein Miteinander von Menschen, wie es eigentlich sein sollte.« Dann wird sie sehr persönlich: »Verlocke mich nicht einem Gefühl nachzugeben (dessen Ziel und Ende ich nicht absehe) und Erkanntes deshalb aufzugeben. Man sollte das Leben eines Mönches führen, ehe man sich hineinstürzt, wohin Gefühl und Begehren wollen.« Die Härte, die sie zeigt, hat nur ein Ziel: »Es ist mein größter Wunsch, Dich dahin zu führen, oder wenigstens einmal

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