Sophies Melodie (German Edition)
Redaktionssitzungen zu gehen. Früher hatten ihr die Diskussionen mit den Kollegen immer Spaß gemacht, jetzt aber empfand sie noch nicht einmal ein gewisses Maß an Zufriedenheit dabei. Der Kontakt zu anderen Menschen war für sie immer immens wichtig gewesen, doch nun war sie trotz ihrer beklemmenden Einsamkeit froh, wenn man sie in Ruhe ließ. Es war viel zu schön, sich in süßen Erinnerungen zu verlieren und in bildhafte Träume zu flüchten, die noch immer eine gewisse Nähe zu Constantin ermöglichten.
Eines Abends klingelte das Telefon, und zu ihrer Überraschung war es Lutz Wölfer, der sie anrief.
„Hey, Zuckerschnute! Ich bin für ein paar Tage in Hamburg. Hast du Lust auf ein Essen mit einem einsamen Pianisten?“
„Ach Lutz, nein. Tut mir leid, aber ich … mir ist nicht nach … Unterhaltung“, antwortete sie merklich widerwillig.
„Hör zu, Sophie, mach mich nicht gleich zur Schnecke. Es hat mich genug Überwindung gekostet, überhaupt bei dir anzurufen.“ Sie hörte ihn tief einatmen. „Püppchen, der Typ ist Vergangenheit. Wende dich doch lieber der verlockenden Gegenwart zu. Na komm schon, gib dir einen Ruck.“
Sophie schloss entnervt die Augen. Sie hielt Lutz nicht für einen schlechten Menschen, sie mochte ihn sogar irgendwie, aber im Augenblick ging ihr seine oberflächliche Art mächtig auf die Nerven. Mittlerweile kannte sie ihn gut genug, um zu wissen, dass er sich nur mit Frauen verabredete, um sie so schnell wie möglich ins Bett zu bekommen. Die Liste seiner Eroberungen war ungefähr so lang wie die gesamte Gleisstrecke des Orient Express.
„Tut mir leid, Lutz“, wiederholte sie. „Du wirst sicherlich keinerlei Schwierigkeiten damit haben, eine passende Begleitung für heute Abend zu finden.“
„Ich möchte aber mit dir diesen Abend verbringen, nicht mit irgendeiner …“
„Ich sagte Nein, Lutz!“
Nach einem Moment der Stille hörte sie wieder seine Stimme. „So schlimm, Sophie?“
„Noch schlimmer! Ich wäre keine gute Gesellschaft, glaub mir.“
„Süße, vielleicht wird es leichter, wenn …“
„Ich war noch nie der Typ für einen One-Night-Stand.“
Er räusperte sich. „So habe ich das auch gar nicht gemeint.“
„Gut. Dann entschuldige ich mich. Das war vielleicht nicht sehr fair.“
„Nein, das war es nicht, aber mach dir bloß keine Vorwürfe. Du weißt ja, ist erst mal der Ruf ruiniert … Hör zu, nimm den Hörer in die Hand und ruf mich an, wenn dir danach ist – aus welchem Grund auch immer, okay?“
„Gute Nacht, Lutz.“
„Träum schön, kleine Sophie.“
Sie legte auf und kämpfte gegen eine neue Tränenflut an.Sie konnte ihre Gefühle einfach nicht in den Griff bekommen. Constantin Afra war überall – vor allem aber in ihrem Herzen. Inzwischen traute sie sich noch nicht einmal mehr, das Radio oder den Fernseher einzuschalten. Sie hatte buchstäblich Angst davor, völlig unvorbereitet seine Stimme zu hören oder ihn gar zu sehen. Zweimal schon war ihr das bisher passiert, und sie wäre fast erstickt vor lauter Kummer.
„Sophie’s Melody“ war jetzt bereits seit vier Wochen auf Platz eins in den Musikcharts. Die Verkaufszahlen der CD brachen alle bisherigen Rekorde. Manchmal, in schwachen Stunden, fragte sie sich, wie Constantin es fertigbrachte, dieses Lied immer wieder zu singen. In der letzten Zeit war er in mehreren Fernsehshows damit aufgetreten. Der Song war wohl schon jetzt der größte Hit, den er jemals gehabt hatte. Er stellte alles andere in den Schatten.
Als Sophie vorsichtig Thomas Jenkins danach gefragt hatte, hatte dieser sie nur milde angelächelt und ihr mitgeteilt, dass Conny eben durch und durch ein echter Profi sei. Sophie glaubte Tom Jenkins nicht. Für sie war es viel wahrscheinlicher, dass Constantin über das, was er auch immer für sie empfunden haben mochte, längst hinweg war. Er fühlte sich von ihr getäuscht und benutzt, das würde er niemals vergessen können. Seine Enttäuschung und sein unbändiger Zorn waren fast mit Händen greifbar gewesen. Nein, sie machte sich nichts mehr vor – sollte er tatsächlich jemals in sie verliebt gewesen sein, so war das ein für alle Mal vorbei.
Seine Familie teilte offenbar seine Einstellung. Schon vor Wochen hatte Sophie an Helen einen langen Brief geschrieben, doch Constantins Schwägerin hatte ihr bisher noch nicht geantwortet. Nur Thomas Jenkins ließ keinen Zweifel daran, dass er nach wie vor große Stücke auf sie hielt. Darüber freute sie sich sehr,
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