SOS - die Erde erkaltet
Umsiedlungsstab eintrifft und die Sache auf die Spitze treibt, müssen wir das Volk beruhigen.«
Kenniston tat während des restlichen Tages sein Bestes. Er wiederholte Varn Allans Bitte um Verständnis, aber sie traf auf taube Ohren. Man konnte in der Stadt leben, sie hatte Licht und Wasser, sie waren nicht allein im Weltall, und zur Zeit schien das Dasein recht angenehm.
Das große Schiff lag düster in der Ebene, und den ganzen Nachmittag und Abend wanderten die Menschen ruhelos zur Dom wand, es anzusehen; sie blieben in kleinen Gruppen stehen, unterhielten sich und gingen wieder weg. In den Straßen war die Aufregung am Siedepunkt und äußerte sich in halblautem Stimmengemurmel und Unruhe. Entmutigt, niedergeschlagen und nicht wenig gequält von Sorge blickte Kenniston dem Unvermeidlichen ins Auge und ging zu Carol. Sie wußte natürlich davon. Jeder in Middletown wußte es. Sie kam ihm mit dem verkniffenen, ein wenig bitteren Ausdruck entgegen, der immer öfter auf ihrem Gesicht lag, seit jener Julitag ihrer Welt ein Ende bereitet hatte. »Können diese Sternenmenschen das tun, haben sie wirklich die Macht dazu?« fragte sie. »Zur Auswanderung zwingen können sie uns doch nicht?«
»Sie glauben, richtig zu handeln«, erwiderte er.
»Die Frage ist nur, ihnen verständlich zu machen, daß sie unrecht haben.« Sie begann zu lachen, ganz leise – ein Lachen, das ohne Fröhlichkeit war. »Es ist kein Ende des Elends abzusehen«, sagte sie. »Zuerst mußten wir Middletown verlassen. Nun sollen wir von der Erde gehen. Warum sind wir nicht in unseren Wohnungen geblieben und dort gestorben wie anständige Menschen, wenn es so sein mußte? Seither ist alles Wahnsinn gewesen – diese Stadt, und jetzt …« Sie hörte zu lachen auf, blickte ihn an und fuhr ruhig fort: »Ich werde nicht gehen, Ken.«
»Du bist nicht die einzige, die so fühlt«, erklärte Kenniston ihr. »Wir müssen die Sternenmenschen davon überzeugen.«
Ruhelosigkeit überkam ihn, er stand auf und sagte: »Laß uns einen Spaziergang machen. Dann werden wir uns beide besser fühlen.« Sie ging mit ihm in die Dämmerung hinaus. Die Lichter brannten und strahlten in freundlichem Glanz, den sie mit solcher Freude begrüßt hatten. Sie gingen spazieren und sprachen sehr wenig, da sie mit den eigenen Gedanken beschäftigt waren. Kenniston kam erneut die trennende Wand zum Bewußtsein, die jetzt immer zwischen ihnen zu stehen schien. Sie schlenderten auf den Abschnitt des Doms zu, durch den man das ferne Sternenschiff sehen konnte. Die Unruhe in der Stadt hatte sich verstärkt. Ein rechter Pöbel hielt sich um das Portal auf. Sie gingen daher nicht in seine Nähe. Durch die gewölbte durchsichtige Wand war der erleuchtete Rumpf der ›Thanis‹ nicht mehr als ein verzerrtes Glitzern. Carol wandte sich fröstelnd ab.
»Ich habe kein Verlangen, das Schiff anzusehen«, sagte sie. »Kehren wir um.«
»Warte«, meinte Kenniston. »Da kommt Hubble.«
Der ältere Mann hatte ihn erspäht und fluchte. »Ich habe Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt und die ganze Stadt nach dir abgelaufen«, rief er. »Ken, dieser dumme Narr Garris hat den Kopf völlig verloren, er hetzt die Bevölkerung zum Kampf auf. Du mußt mit mir kommen und ihn beruhigen.«
»Kein Wunder, wenn Varn Allan uns für ein Pack Primitiver hält!« meinte Kenniston bitter. »Ja, ich komme. Wir werden dich vorher nach Hause bringen, Carol.«
Sie machten kehrt und eilten durch die Straßen zurück, deren Turmbauten jetzt zeitlos schön in dem ruhigen, weißen Licht schimmerten. Aber die Menschen in den Straßen, die kleinen aufgeregten Gruppen, die sich unterhielten, die besorgten Gesichter und Fragen, die ärgerlichen Verwünschungen, das alles stand in schreiendem Gegensatz zu diesem übernatürlichen Frieden.
Der Pulsschlag der Unruhe in der Stadt schien sich zu beschleunigen. Ein leiser Ruf eilte die Straßen entlang. Die Leute riefen etwas, dann brach sich ein Aufschrei Bahn, Hände wiesen nach oben, weiße Gesichter wandten sich empor und blickten zum flimmernden großen Dom hinauf.
»Was«, begann Hubble ungeduldig, aber Kenniston hieß ihn schweigen. »Hör mal!«
Sie lauschten. Über den fernen Stimmen, die immer stärker anschwollen, hörten sie ein Geräusch, das sie nur ein einziges Mal zuvor vernommen hatten und das mit jedem Augenblick lauter wurde. Mehr ein schwingender Ton als ein Geräusch, ein tiefer, summender Baßton vom Himmel, der so tief war, daß ihn nicht einmal
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