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Späte Familie

Späte Familie

Titel: Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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dessen Geräte mit einer weißen schwammigen Schicht überzogen sind, auf einmal erkenne ich ihn, das ist der Spielplatz gegenüber ihrer Wohnung, ich hebe den Blick zu dem schönen Haus, der Balkon im obersten Stock ist jetzt leer, kein Kind wirft Wasserbeutel herunter. Wie oft habe ich Gili schon in verführerischem Ton gefragt, was ist mit Jotam, willst du dich nicht mal mit ihm verabreden, aber er brummte, nein, er ist nicht mehr mein Freund, und flüsterte dann, als handle es sich um ein Geheimnis, unsere Clique ist gegen ihre Clique, wir machen sie fertig, und wieder fällt mir jener Morgen ein, der Anblick des verlegenen Mannes in den roten gepunkteten Unterhosen, wie er mich verärgert angeschaut hat, ein Mann, der immer sanfter wurde und sich immer mehr mit meiner Anwesenheit abfand, er ist in meiner Erinnerung viel lebendiger als die gut gekleidete, selbstbewusste Person, die sich mir in der Praxis dargeboten hat, und ich stehe vor seinem Haus, bestimmt ist es jetzt warm und gemütlich bei ihnen, durch die Fenster sieht man die weißen Wipfel, in der Keramikschale haben die Birnen schon Orangen Platz gemacht, ob er auf dem hohen Barhocker sitzt und Kekse in Kaffee taucht, vielleicht sitzt er mit einer Decke auf den Knien im Schaukelstuhl und blättert in einer Zeitung oder in einem Buch, vielleicht ist er auch allein losgezogen, um im Schnee spazieren zu gehen, vielleicht treffe ich ihn zufällig,wenn er nach Hause zurückgeht, und dann wird er mich wieder anschauen und fragen, wir kennen uns doch? Und ich werde antworten, nicht wirklich, aber ich werde still neben ihm hergehen, und wir beide werden mit dem inneren Auge andere Städte sehen, andere Leben, ist er das dort, am Ende der Straße, eine Mütze verdeckt sein Gesicht, nein, ich bilde es mir nur ein, und obwohl meine Füße schon halb erfroren sind, stehe ich noch immer vor seinem Haus, spitze die Ohren und lausche, ob auch jetzt dort ein ersticktes Weinen zu hören ist, der schmerzliche Seufzer einer fremden Familie, den ich damals gehört habe, aber vielleicht war das auch eine Stimme in mir.

10
    Guten Tag, Ella, sagt er, seine Stimme klingt ängstlich, fordernd, hier ist Rami Regev, es tut mir Leid, dass ich am Schabbat nicht zum Essen gekommen bin, die Straße war zu, meinetwegen können wir uns für morgen verabreden, und ich wundere mich, wozu diese Eile, schließlich hat er bis jetzt auch ohne mich gelebt, warum stürzt er sich mit einer solchen Begeisterung auf mich, als wäre ich die letzte freie Frau auf der Welt, und ich zögere, ich habe das Gefühl, als würde ich mir in dem Moment, in dem ich zustimme, ein Etikett verpassen, auch in meinen Augen, nämlich das Etikett einer Frau, die einen Mann sucht, ein wertloser Gegenstand, der auf einen Käufer wartet.
    Morgen kann ich nicht, sage ich schließlich, vielleicht übermorgen, und er kontert sofort, übermorgen kann ich nicht, nur überübermorgen, es scheint, als könnten wir das bis in alle Ewigkeit fortsetzen, aber da versucht er schon etwas anderes und sagt, ich habe gerade einen Bericht gelesen, den du über eure Arbeit geschrieben hast, er ist interessant, aber inzwischen vollkommen widerlegt, ich bin ganz anderer Meinung als du.
    Wer bist du, dass du ganz anderer Meinung bist als ich, was verstehst du überhaupt davon, antworte ich insgeheim, aber der Stachel sitzt, und eine Frau, die inzwischen widerlegte Berichte schreibt, wird sich nicht erlauben, einen Mann abzuweisen, der sie treffen will, und wir verabreden uns für überübermorgen, in einem Café nahe meiner Wohnung, und je näher der Termin rückt, desto bedrückter binich. Ist das nur der Anfang einer lächerlichen Reihe von Enttäuschungen und Erniedrigungen, habe ich mich dazu verurteilt, als ich Amnon verließ, und ich mache mir Mut, ein Versuch kann nicht schaden, ganz besonders, wenn ich nichts erwarte, was soll schon passieren, im Höchstfall werde ich mich ein bisschen langweilen und früh nach Hause gehen, aber als ich mich für die Verabredung anziehe, fällt meine zerbrechliche Gelassenheit von mir ab, und ich betrachte missbilligend mein Spiegelbild, wozu hast du das nötig, ich muss zugeben, dass es mir schwer fällt, die winzige Möglichkeit zu missachten, dass ich mich doch in diesen geschiedenen Piloten verliebe, der ein Hobbyarchäologe ist, dass ich seine Liebe wecken kann und mir mit

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