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Speichelfaeden in der Buttermilch

Speichelfaeden in der Buttermilch

Titel: Speichelfaeden in der Buttermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann , Christoph Grissemann
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Krankenschwestern oder manchmal auch gesunden machten sie zum Spitalsgespött. Primar Nassfratz und Doktor Kleinrensing, zwei königlich vertrottelte Groteskärzte vom Krankenhaus am Rande der Stadt, sie waren die einzigen Ärzte, die am Computer mit einer echten Maus arbeiteten und einen internen Wettstreit laufen hatten, den – wie Nassfratz ihn nannte – »Im-Körper-des-Patienten-während-einer-Operation-Gegenstände-vergessen-Wettbewerb«. Kleinrensing lag vorne. Primar Nassfratz hatte letzte Woche bei einer Nierentransplantation geschickt ein Kleinkalibergewehr, eine Espressomaschine und einen ausziehbaren Esszimmertisch aus Eichenholz im Bauch der Rentnerin Hannelore plaziert und wieder zugenäht. Kleinrensing nickte bewundernd beim Anblick der Röntgenbilder, und Nassfratz sah sich schon als Sieger. Da aber geschah das Unglaubliche: Kleinrensing zog seinerseits Röntgenaufnahmen aus der Tasche, die ihn zum Sieger des »Im-Körper-des-Patienten-während-einer-Operation-Gegenstände-vergessen-Wettbewerbs« küren sollten. Während einer Mandeloperation vergaß Doktor Kleinrensing im Hals der 13jährigen Schülerin Manuela sage und schreibe ein Klappfahrrad, sechzehn Dosen Hundefutter und eine Einbauküche von Regina im Gesamtwert von 84.000 Schilling.
    Dagegen waren die von Nassfratz im Bauch der Rentnerin vergessenen Gegenstände im Gesamtwert von 12.500 Schilling ein Witz. Natürlich brennt Primar Nassfratz nun auf eine Revanche in der nächsten Runde des »Im-Körper-des-Patienten-während-einer-Operation-Gegenstände-vergessen-Wettbewerbs«.
    Wie Mann und Frau
    Die Dame legte ihren Arm um den Herrn wie der kalte Nebel Venedigs einem kleinen Berufsoffizier sein feuchtes Kleid. Der Herr schaute verliebt wie ein einbeiniger Sportvolontär, der auf die Resultate der dritten Schweizer Hockeyliga blickt. Ihre Hand schob sich zu ihm hin wie ein mexikanischer Güterwagon in der knarrenden Remise Cancúns um fünf Uhr früh, wenn die Bäcker ihr Teigwerk beginnen. Er drückte sie zärtlich, wie ein pubertierender Elektronikfachhändler seine blutgetränkte Akne im Rückspiegel eines von einem Vietnamesen gestohlenen Citroën GS mit umklappbaren Rücksitzen und ABS . Sie stöhnte leise auf wie der verletzte Stolz eines portugiesischen Schallplattenhändlers, dem bei der Abrechnung klar wurde, dass wieder nur Elton John über die Ladentische gegangen war, die ihm ein befreundeter Schreiner aus Bethlehem zu Weihnachten gezimmert hatte. Seine Zunge irrlichterte in ihrem Mund, wie eine Insektenschar auf den Tragflächen einer Aeroflotmaschine kurz vor dem Absturz über Ruanda, bei dem bis auf die Besatzung alle überleben sollten, weil König Zufall es so wollte und die Passagiere nichts dagegen hatten. Der Herr erregte die Dame, wie die Restplatzbörsenmitarbeiterin Beate ein öffentliches Ärgernis, indem sie dem Exilkubaner Miguel ein Feuerzeug aus taiwanesischer Produktion und echtem Fleisch statt eines Tickets nach Ibiza ausstellte, was der Kubaner mit einem Geschrei quittierte, das man zum einen nicht von der Steuer absetzen konnte und man zum anderen zuletzt im Brüsseler Heysel-Stadion gehört hatte, von einem italienischen Fußballfan, der daheim in Turin eine Kuh sein eigen nennen durfte. Die Dame verließ den Herren, so plötzlich und überraschend, wie ein salmonellenvergiftetes Ei den Körper einer zierlichen Cartoonistin aus dem Sudan, deren Stift gerade über ein Blatt Papier flitzte, als es über sie kam, wie eine neue Technologie über ein archaisches Bergvolk Turkmenistans im April des vergangenen Jahres. Bertolt Brechts 99. feierte man da. Der Herr stand also wieder ganz allein da und holte sich munter einen nach dem anderen runter.
    Wie alle guten Geister
    Das Kind verließ den Schulhof wie alle guten Geister einen von einem grippalen Infekt geschüttelten Rentner, der ohne Kopfbedeckung im eiskalten Regen auf der Straße sitzend Tiefkühlfisch kaut. Endlich war die Schule aus wie das Leben eines Waldläufers, der von einer vom Baum gefallenen, ohnmächtig gewordenen, sechs Kilogramm schweren Eule erschlagen, nun also tot, mit verdutzten Augen im Unterholz liegt, gleich dem feuchten Nebel, der auf der Place Pigalle in den Unterrock einer mehr- oder minderjährigen portugiesischen Prostituierten gekrochen war, um dort leise zu verweilen. Das Kind traf seine Freunde am Fußballplatz, wie die schlechte Nachricht gleich einem Blitz die Tanzkursteilnehmer, nachdem sie erfahren hatten dass der

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