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Spektrum

Spektrum

Titel: Spektrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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genossen dort die Sonne. Die Nacktheit störte niemanden. Ein nackter Dreikäsehoch schlenderte den Strand entlang, neben ihm schwamm im Kanal ein Robbenartiger einher, der hin und wieder ein paar Weichtiere ans Ufer warf. Der Knirps sammelte die Muscheln in einer Zellophantüte. Neugierig beäugten die Nudistinnen Martin, während sie leise etwas diskutierten. Der Junge starrte neidisch auf den Karabiner, bis der Robbenartige seine Aufmerksamkeit durch einen langen Pfiff auf sich lenkte.
    Insgesamt machte der Planet einen durchaus positiven Eindruck. Die meisten Welten, die von verschiedenen Rassen gleichzeitig kolonialisiert worden waren, entwickelten sich zu einem mehr oder weniger demokratischen Gebilde. Verbrecherische oder despotische Welten entstanden nur auf sehr armen oder allzu reichen Planeten. Bibliothek repräsentierte eine minimalistische Welt: Hier war es nicht schwer, zu überleben, aber unmöglich, reich zu werden.
    Zwanzig Minuten später ließ Martin das Dorf hinter sich. Niemand hatte ihn angesprochen oder aufgehalten. Möglicherweise ging das auf den geschulterten Karabiner zurück, vielleicht hielten David und der Geddar aber auch eine solide Rechtsordnung in Hauptstadt aufrecht. Nunmehr kam er einerseits leichter voran, denn er musste keinen bewohnten Inseln mehr ausweichen, andererseits wurde der Weg beschwerlicher, denn Brücken gab es nicht mehr. Über die schmalen Kanäle vermochte Martin hinwegzuspringen, zumal er auf dem rauen Inselgestein gut Anlauf nehmen konnte. Bei den breiteren musste er indes einen Umweg machen. David hatte sich in Bezug auf Martins Schnelligkeit nicht getäuscht. Eher hatte er ihn überschätzt. Doch das bekümmerte Martin nicht.
    Schließlich gibt es nichts Angenehmeres, als auf einem fremden, unerforschten Planeten gemütlich dahinzuschlendern – sofern man nicht fürchten muss, von einem wilden Tier angefallen oder aus einem Hinterhalt beschossen zu werden. Als kundiger Pilger durch fremde Welten ließ Martin es nie an Wachsamkeit mangeln, spähte umher, witterte jedoch keine Gefahren, wo es keine gab. Die steinernen Obelisken waren zu schmal, als dass sich jemand hinter ihnen hätte verbergen können. Die Kanäle mochten Robbenartige und andere Formen intelligenter Lebewesen beherbergen, doch Wasserbewohner waren in der Regel eher friedliebend. Mit ungleich größerer Sorge sah Martin dem Ziel seiner Reise entgegen: einem Dorf chauvinistischer Menschen.
    Wie seltsam es auch anmutete, doch um den internationalen Streitereien auf der Erde den Garaus zu machen, hatte es nicht mehr und nicht weniger als der Begegnung mit Außerirdischen bedurft. Hernach übertrugen die Erdenmenschen schlankweg jedes Misstrauen, jede Antipathie auf die mit Hauern bewehrten, geschuppten, bepelzten, glitschigen Fremdlinge. Eine Ausnahme stellten lediglich die Schließer dar, deren gelassener Stärke allgemein Respekt gezollt wurde. Aber welche Ängste mussten die Menschheit in den ersten Tagen des Kontakts gemartert haben, zumal nach dem Atomangriff der amerikanischen Luftwaffe auf das Mutterschiff! Die Schließer verloren indes kein Wort über den »ärgerlichen Zwischenfall«, hätten sie damit doch bloß dem US-Präsidenten die Möglichkeit an die Hand gegeben, sich in Entschuldigungen zu suhlen und die fix benannten Schützen zu bestrafen. Nein, vielmehr halfen die Schließer, das verseuchte Gebiet zu reinigen, und stellten Medikamente gegen Strahlenerkrankungen zur Verfügung. Mit demselben arroganten Gleichmut behandelten sie Terroristen, die über mehrere Jahre erfolglos versucht hatten, die Stationen zu zerstören. Zupass kam ihnen dabei selbstverständlich auch jene »Miete«, die die Schließer penibel allen Ländern zahlten, auf deren Territorien sie Große Tore errichteten. Sicher, man konnte sich endlos über das abgetrennte Stückchen Moskaus, den verhunzten Blick auf die Freiheitsstatue, die erheblich in ihrer Fläche beschnittenen Kensington Gardens, die verschobene tausend Jahre alte Pekinger Pagode empören … Doch beim Bau der Stationen gab es kein einziges Opfer zu beklagen, sakrale Bauten tasteten die Schließer klugerweise nicht an, und die großzügig zur Verfügung gestellten Technologien machten der Energiekrise, dem Hunger und einigen der schlimmsten Krankheiten ein Ende. Die Schließer mischten sich nie in juristische Auseinandersetzungen ein. Sie nahmen sich das, was sie brauchten, nämlich vierzehn Orte in den wichtigsten Städten der Erde. Und die

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