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Spektrum

Spektrum

Titel: Spektrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Dunkel rast! Und wie elementar wäre es, eine ewige Welle zu sein, die nicht nur im Raum, sondern auch in der Zeit unveränderlich ist! Aber jedes Extrem ist tödlich, Martin. Wenn wir die Ewigkeit negieren, verlieren wir den Sinn unserer Existenz. Aber wenn wir die Veränderlichkeit negieren, verlieren wir den Sinn der Ewigkeit selbst …«
    Der Schließer trat an Martin heran, dessen Körper ein Schauder durchlief, als er spürte, wie eine kleine befeilte Hand sein Handgelenk berührte.
    »Die Angst ist das Gehäuse des Verstands, der vor dem Unverständlichen erschrickt«, raunte der Schließer. »Die Angst eignet jedem Individuum. Aber mitunter prägt die Angst auch eine ganze Gesellschaft … Du darfst keine Angst haben, Martin. Die Angst tötet das Bewusstsein. Sie führt zu völliger Zerstörung …«
    »Ich werde ihr ins Gesicht sehen«, fuhr Martin stirnrunzelnd fort. »Sie soll mich völlig durchdringen …« *
    Der Schließer lächelte breit. »Begib dich nach Scheali, Martin. Vollbringe das, was zu tun dir bestimmt ist.«
    Von einer Sekunde zur nächsten war er weg, sodass Martins Bewusstsein sein spurloses Verschwinden nicht sofort akzeptieren wollte. Erst musste er noch den Blick schweifen lassen, um jenen Phantomeindruck abzuschütteln: die Hand des Schließers an seinem Gelenk.
    »Ich fass es nicht«, murmelte Martin, während er über das Geschehene nachdachte. »Das kann doch nicht sein!«
    Gerade eben hatte er einen Befehl von einem Schließer erhalten!
    Ihn, den frisch gebackenen Mitarbeiter der russischen Staatssicherheit, hatten die allmächtigen Schließer zum Dienst einberufen!
    »Mamotschka, warum bin ich damals bloß ans Telefon gegangen …«, flüsterte Martin. »Warum bin ich nicht auf Schlund geblieben? Warum bin ich nicht in die Stadt gegangen, um den Aufguss aus seltenen Algen zu besorgen?«
    Doch in diesen Worten lag zu viel Angst, als dass Martin das Thema hätte weiterspinnen wollen.
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    * Der Schließer und Martin zitieren jeweils eine Stelle aus Der Wüstenplanet von Frank Herbert.

Drei
     
    Das Zentrum der Stadt bildete der Tempel.
    Hier gab es alles, sowohl gleißende Hochhäuser aus Glas und Metall, die an die architektonischen Vorlieben der Aranker erinnerten, wie auch lauschige Cottages mit Vorgarten und öffentliche Gebäude wie Stadien, Supermärkte, Banken und Schulen – oder zumindest ihre ganz ähnlichen Entsprechungen.
    Das Herz der Stadt, ihre Achse und ihr Kern, ihren Grundpfeiler, bildete indes der Tempel. Alle Wege führten zu ihm, einem grauen Steinkegel, der über ein-, zweihundert Meter in den Himmel aufragte. In gewisser Weise gemahnte er an den Turm von Babel, wie er in mittelalterlichen Zeichnungen dargestellt wird: Die gleiche feste Solidität des Baus, der nach oben führende Weg, der sich in einer Spirale den konischen Bau hinaufwand, dazu ein Hauch von Unfertigkeit, Unregelmäßigkeit. Eine ruhige, im Tageslicht kaum zu erkennende Flamme von Gasfackeln zitterte auf der Spitze des Tempels und in Nischen, die in die Mauern eingelassen waren. Bei Nacht musste der Anblick phantastisch sein …
    Martin holte seinen Fotoapparat heraus, um einige Aufnahmen zur Erinnerung zu machen. Als er noch einmal darüber nachdachte, gelangte er zu dem Schluss, der Tempel erinnere ihn auch noch an die Station der Schließer auf Arank, mit dem Unterschied, dass er nicht in modernen, sondern in natürlichen Materialien ausgeführt war.
    Von dem kleinen Hügel aus, auf dem sich die Station erhob – die übrigens von höchst banaler Architektur war –, bot sich ein herrliches Panorama. Vor dem Hintergrund des dunkelblauen Himmels zeichnete sich der gigantische graue Kegel im Schein der Fackeln ab … Auch die Sonne stand günstig, in Martins Rücken, und illuminierte die ganze Schönheit Dshorks, der Hauptstadt Schealis. Um den Tempel herum rankte sich ein Spinnennetz von Straßen, erstreckten sich grüne Gärten, schossen Autos über die Fahrdämme, bildeten die Fußgänger winzige Punkte … Selbst aus dieser Entfernung ließ sich in ihrem Gang das typische Hüpfen erkennen, das die Schealier von ihren Vogel-Vorfahren geerbt hatten.
    Auf Martin kroch langsam, aber sicher ein Schatten zu. Über seinem Kopf zog die Zigarre eines Lastzeppelins dahin. Den Schealiern behagten allzu geschwinde Fortbewegungsmittel nicht. In einem funkelnden Metallnetz unter dem Zeppelin baumelten einige Rundhölzer. Das erinnerte ihn ebenfalls an etwas … an ein altes phantastisches Bild über

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