Spiel der Angst (German Edition)
können wir erst vorgehen, wenn dieser Typ sich Ihnen zu sehr nähern sollte.« Er hatte sie angeschaut. »Wie nahe ist er Ihnen denn gekommen? Konnten Sie ihn sehen?«
Emily musste den Kopf schütteln. »Nein, und das ist es ja gerade. Er nähert sich nicht. Er nähert sich nie, aber er ist trotzdem da.«
Dadurch war er schlimmer als jeder Stalker. Und genau deswegen war er auch nicht zu schnappen. Es war zum Mäusemelken.
Jones blätterte derweil in seinen Unterlagen. »Und Sie meinen, dass der Typ, der diese Kleiderpuppe in Ihr Zimmer gestellt hatte«, Jones hatte sie fragend mit seinen wasserblauen Augen angeblickt, »Sie meinen, dass es derselbe war, der Mary Barnville an der Antenne aufgehängt hat?«
»Ich meine es nicht, ich weiß es!«
Detective Jones hatte die Schultern gezuckt. »Schön, dieser Jonathan, wenn er es denn war, hat Ihnen eine SMS geschickt – mit dem Foto der Leiche. Das kann aber auch ein Versehen sein, vielleicht gab es einen Zahlendreher.«
»Es ist aber kein Versehen!« Emily hätte am liebsten mit dem Fuß aufgestampft. »Ich biete Ihnen an, in einem Mordverfahren zu helfen, und Sie wollen meine Hilfe einfach nicht!«
Jones hob beschwichtigend die Hände. »Wir freuen uns immer, wenn uns der Bürger tatkräftig bei unserer Arbeit unterstützt!« Das hatte er wahrscheinlich von der NYPD-Website abgelesen.
»Offenbar ja nicht!«, fauchte Emily. Es fiel ihr zusehends schwer, ihre Wut unter Kontrolle zu halten.
»Es gibt noch etwas, was dagegen spricht.« Jones kratzte sich am Kopf und sortierte seine Akten. »Laut Scotland Yard ist dieser Mann, dieser Jonathan Harker, seit mehr als einem Jahr … tot.«
23
TAG 3: MONTAG, 3. SEPTEMBER 2012
Am Sonntag hatte sich nichts mehr ereignet. Hinter Emily lag allerdings eine lange, unruhige Nacht. Völlig übermüdet stand sie nun während der kurzen Pause zwischen zwei Vorlesungen in der Cafeteria der Columbia University mit einer kleinen Gruppe von Leuten zusammen, zu der auch Lisa und Marc gehörten. Ryan war nicht dabei, er hatte gerade ein Gespräch mit einem Professor wegen einer Seminararbeit.
Da klingelte plötzlich Emilys Handy.
Eine anonyme Nummer.
Ihr blieb fast das Herz stehen.
Sie nahm den Anruf an.
»Hallo, Emily.«
Sie hörte die verzerrte, metallische Stimme und entfernte sich von der Gruppe. Rasch holte sie ihr Schreibheft heraus und einen Stift, um sich alles aufzuschreiben, was dieser Irre wieder an Rätseln auf sie abfeuern würde.
»Die Menschen von Babylon bauten einen riesigen Turm. Und wurden deswegen von Gott gestraft«, sagte die Stimme. »Und auch heute noch geht diese Gigantomanie weiter.« Die Stimme sprach weiter. »Gehe also zum großen Johannes und hinterlege an dem apokalyptischen Eingang den Betrag, für den dieser Ort gekauft worden ist.«
Emily kritzelte hastig die Wörter in ihr Heft.
»Welchen Betrag?«, schrie sie.
Alle drehten sich zu ihr um.
» Den Betrag, Emily«, antwortete die Stimme. »Wenn du nicht dumm bist, dann wirst du wissen, was wir meinen. Ach ja …« Die Stimme machte eine Pause. »Du hast wieder dreißig Minuten Zeit. Bin ich nicht gnädig?«
Gnädig, dachte Emily. Der war in etwa so gnädig wie ein Scharfschütze.
»Und was ist der große Johannes?«, platzte es dann aus ihr heraus. Vielleicht gelang es ihr, diesen Psychopathen eine Zeit lang am Telefon zu halten und noch mehr herauszufinden.
»Er ist, was er ist. Ach ja …«
»Was?«, fragte Emily panisch. Vielleicht bekam sie ja doch noch eine Information.
»Ich schicke dir gleich noch ein Bild«, sagte die Stimme. »Darauf siehst du, was passiert, wenn du nicht tust, was ich will.«
Die Verbindung endete.
Emily schaute eine Zeit lang wie hypnotisiert auf ihr Handy.
Dann kam die SMS.
Es war ein Foto. Es war ein Foto von ihrem Zimmer. In der Mitte des Zimmers stand ein Kanister. Mit einem Zünder. Und einem Explosivzeichen.
JA, DU HAST RECHT, stand darunter. DAS IST EINE BRANDBOMBE. IN EUREM ZIMMER. WENN DU VERSAGST, WIRD DIE BOMBE EXPLODIEREN. UND NOCH ETWAS: SOLLTEST DU JETZT IN DEIN ZIMMER RENNEN, EXPLODIERT DIE BOMBE SOFORT. ICH SEHE DICH!
Sie versuchte die aufkeimende Panik zu unterdrücken.
Dann nahm sie ihr Handy und rief Ryan an.
24
Ryan und Emily waren in der Bibliothek und blätterten hektisch durch verschiedene Bücher.
»Der große Johannes«, sagte Emily. »Was kann das sein? Wir brauchen eine schnelle Lösung!« Sie schaute auf die Uhr. »Nur noch fünfundzwanzig Minuten!«
Ryan blies die
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