Spiel des Lebens 1
einschlafe.«
Da klingelte ein Telefon. Ryan griff in seine Tasche und schaute auf das Display. »Ach du Scheiße.« Er nahm den Anruf entgegen.
»Ja, Ryan hier … Was?« Er blickte Emily an. »Der Rüssel? Auf die Tanzfläche? Shit! Okay, bin gleich da.« Er steckte das Handy ein, seufzte und sah Emily an. »Du kennst doch den Rüssel, äh, ich meine, Nick, der vorhin bei uns war?«
Emily verzog das Gesicht. »Mr Ekel, meinst du?«
Ryan nickte verkniffen. »Genau der. Macht seinem Namen alle Ehre und kotzt die Tanzfläche voll. Die Türsteher machen Stress und wollen das bezahlt haben, aber er hat sein ganzes Geld versoffen. Außerdem scheint er eine Alkoholvergiftung zu haben, wir müssen ihn irgendwie ins Krankenhaus bringen.« Er schaute sich um. »Nimm du dir am besten ein Taxi ins Wohnheim, du brauchst ja nicht auf mich zu warten. Wir sehen uns dann später oder morgen, okay?«
Emily überlegte kurz. Einerseits wäre sie lieber bei Ryan geblieben, andererseits war sie wirklich zum Umfallen müde. Und den besoffenen Nick in seiner Kotze zu sehen, war auch nicht gerade ein toller Abendausklang.
»Ist das okay?«, fragte Ryan unsicher. »Hast du Geld für ein Taxi?«
Sie nickte. »Ja klar, habe ich.«
»Gut.« Er blickte Richtung Straße. »Da an der Kreuzung müssten immer Taxis fahren. Melde dich, wenn es irgendwo hakt.«
Jetzt musste Emily lachen. »Ryan, ich bin ein großes Mädchen. Und im Gegensatz zu dir bin ich in London aufgewachsen. Stell dir vor, Taxi bin ich auch schon mal gefahren.«
»Sorry!« Er biss sich auf die Unterlippe und sah dabei so süß aus, dass sie ihn spontan umarmte.
»Bis morgen!«, sagte sie.
Ryan lächelte. »Bis in ein paar Stunden«, konterte er.
Sie trat auf die Straße, während Ryan wieder in den Club zurückging. Im Rücken spürte sie den Blick des Türstehers, der sich vielleicht wunderte, warum eine junge Frau ganz allein die Party verließ.
* * *
Von wegen, da fahren überall Taxis!
Eine Viertelstunde später konnte Emily einen Fluch nicht unterdrücken. Eben hatte sie so groß vor Ryan angegeben, und jetzt schaffte sie es nicht mal, ein Taxi zu bekommen. Entweder war die große Action heute woanders, oder die Taxifahrer hatten Feierabend gemacht und kümmerten sich einen Dreck um irgendwelche Partygänger. Bei der Taxizentrale war ständig besetzt gewesen. Als sie endlich durchkam, hieß es, das Taxi wäre gleich da. Als nach zehn Minuten immer noch kein Taxi gekommen war, rief sie noch einmal an. Wieder besetzt. Zum Kotzen.
Sie ging die Straße auf und ab, aber nichts kam. Von einem der Nachtbusse keine Spur. Vielleicht war Ryan ja auch schon fertig? Aber hatte er nicht etwas davon gesagt, dass sie Nick ins Krankenhaus bringen mussten?
Sie ging zurück zur U-Bahn-Station, wo der Fußweg an der Themse entlang vorbeiführte, als die ersten Regentropfen fielen. Erst schwach, doch dann immer stärker und penetranter, wie kleine, kalte Steine, die ihr das Leben schwer machen wollten.
Emily seufzte und wandte sich um. Sie glaubte zwar nicht, dass noch eine U-Bahn fuhr, aber versuchen konnte sie es auf jeden Fall. Sie ging durch den Eingang zur Temple Station und lief die Treppe hinunter.
Ihr war ein wenig unbehaglich zumute, aber zunächst bemerkte sie nichts Verdächtiges. Doch dann hörte sie plötzlich Schritte.
10
H ey, wen haben wir denn da?«, sagte eine vom Alkohol lallende Stimme. »Ganz allein in der dunklen Nacht? Warte doch mal!«
Die erste Panikwelle erfasste Emily, als sie den betrunkenen Mann mit der grünen Bomberjacke und der Bierflasche in der Hand hinter sich sah. Und es war ganz offensichtlich, dass er sie meinte. Denn es war sonst niemand in der U-Bahn-Station. Die zweite Panikwelle überkam sie, als sie bemerkte, dass der Mann nicht allein war.
Eine massige Gestalt torkelte neben ihm die Treppen runter. Dann noch eine, groß und hager, mit einer blauen Trainingshose. Alle drei hatten sich die Schirmmützen tief ins Gesicht gezogen, sodass die Männer gerade noch sehen konnten, aber ihre Gesichter kaum zu erkennen waren.
»Hey, wie heißt du denn, Puppe?«, fragte der mit der Bierflasche, griff sie an der Schulter und drehte sie herum.
Ihr Herz klopfte bis zur Schädeldecke, und Schübe von Panik und Adrenalin pressten sich durch ihre Adern. Ihr Blick flog über die Schienen und den Bahnsteig. Die Treppe auf der anderen Seite war etwa fünfzig Meter entfernt. Wenn sie rannte, konnte sie ihnen entkommen. Doch wenn sie rannte,
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