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Spiel mir das Lied vom Glück

Spiel mir das Lied vom Glück

Titel: Spiel mir das Lied vom Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
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nach dem Zwischenfall kamen die beiden nicht zur Lesestunde, genauso wenig am vierten und fünften Tag.
    Am sechsten Tag dachte ich bereits, das Jugendamt wäre eingeschritten und hätte etwas unternommen, da schaute ich aus dem Fenster und sah, dass Shawn und Carrie Lynn zur Bücherei gelaufen kamen.
    Erleichtert seufzte ich auf und begrüßte die beiden an der Tür. Ms. Cutters bösen Blick ignorierte ich.
    Ich hieß die Kinder zur Lesestunde willkommen. Eigentlich war ich davon ausgegangen, dass sie von ihrer Mutter getrennt
worden waren. Als Ms. Cutter wieder an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt war, gab ich Shawn und Carrie Lynn das Essen, das ich für den Fall der Fälle mitgenommen hatte.
    Sie stürzten sich auf die Thunfisch-Sandwiches. Sie aßen die Äpfel, die Bananen, den Joghurt und die Chips, dann schoben sie sich meine selbstgemachten Schokoladentrüffel in den Mund. Carrie Lynn war klapperdürr. Sie drängte sich so nah wie möglich an Shawn.
    »Meine Mama ist richtig sauer auf dich«, flüsterte er mitten in einer Geschichte.
    »Warum?«, fragte ich, doch wusste ich den Grund bereits.
    »Weil du die Polizei gerufen hast. Vorgestern Abend war die Polizei bei uns. Die Leute haben sich meine blauen Flecke angeguckt und zu meiner Mutter gesagt, sie soll sich zusammenreißen. Sie hat gesagt, ich hätte mich mit meinen Cousins gestritten, dabei hab ich gar keine. Aber ich sollte es trotzdem sagen.«
    »Und? Hast du es gesagt?«
    Shawn sah aus, als würde er jeden Moment weinen. »Musste ich doch. Barber war da.«
    »Wer ist Barber?«
    »Ein Freund von meiner Mutter.«
    Carrie Lynn zog sich das Tuch über den Kopf.
    »Barber ist riesengroß und schreit uns immer an. Wenn ich es nicht sage, würde er meine Mutter vertrimmen, hat er gesagt.«
    Ich massierte meine Nackenmuskeln. Shawn und Carrie Lynn durchlebten meine Kindheit aufs Neue.
    »Es tut mir leid, ihr beiden.« Ich nahm Carrie Lynn in den Arm. Sie sprach zwar nicht viel, ließ sich aber immerhin von mir anfassen.
    »Ach, ist auch egal. Können wir nochmal was über Erdbeben lesen, Miss Bennett?«, fragte Shawn.
    Ich nickte und zog Bücher über Erdbeben aus dem Regal.
Dabei schwor ich mir, das Jugendamt anzurufen, sobald ich diese dunkle Gruft von Bücherei mit ihren verhängten Fenstern und der trostlosen Kinderecke verlassen hatte.
    Am Telefon berichtete ich, was Shawn mir erzählt hatte.
    »Wir verstehen Ihre Sorge, Ms. Bennett, aber für diese Kinder besteht keine Gefahr, körperlich misshandelt zu werden. Eltern haben das Recht, ihre Kinder zu disziplinieren.«
    »Aber diese Mutter diszipliniert ihre Kinder mit blauen Flecken.«
    »So viele waren das nicht, sagte unsere Sozialarbeiterin. Wir danken Ihnen für den Anruf, aber in diesem Fall werden wir nichts unternehmen, es sei denn, man hat den Eindruck, dass die Kinder akut gefährdet sind.«
    »Aber was hat Ihre Sozialarbeiterin über das Erscheinungsbild der Kinder gesagt? Über die Kleidung? Über die hygienischen Zustände?«
    »Ms. Bennett, wir entziehen Kinder nicht ihren Eltern, nur weil sie schmutzige Kleidung tragen, das müssten Sie doch wissen, oder? Ich habe noch einen Anrufer in der Leitung, bitte haben Sie Verständnis.«
    Aufgelegt.
     
    »Im Licht des Mondes macht man die beste Schokolade«, erklärte mir Tante Lydia an jenem Abend. Es war ungefähr zehn Uhr. Wir standen nebeneinander und schlugen einen Teig für Schokoladen-Windbeutel für Rosita und Jacqueline auf, die beide Grippe hatten.
    »Ich schnupfe jede Stunde einen Liter Rotz aus, und Jacqueline hat nichts als Durchfall, Durchfall, Durchfall«, erklärte Rosita am Telefon, als ich anrief, um mich nach ihrem Befinden zu erkundigen. »Uns geht es hundeelend.«
    Zuvor hatten wir Mokka-Sahne-Törtchen für eine Frau gemacht, die eine Woche zuvor ihre 92 -jährige Mutter verloren hatte.
    Ich überlegte, für wen wir noch etwas machen konnten. Die Sache mit Shawn und Carrie Lynn warf mich so aus der Bahn, dass ich glaubte, die ganze Nacht durchbacken zu müssen.
    »Wenn man im Licht des Mondes steht, sollte man nachdenken. Denk nach, Julia, denk nach!«, sagte Tante Lydia. Ihre sieben Zöpfe tanzten um ihre Schultern, während sie das Eigelb mit dem Zucker erhitzte. »Viele Menschen glauben, Mondlicht sei gut für die Liebe. Offenbar sind sie noch nicht ganz erwachsen. Wenn das Mondlicht auf eine Frau fällt, ist es Zeit für sie, sich zurückzulehnen und nachzudenken, wirklich über ihr Leben nachzudenken.«
    Ich schaute

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