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Spiel mir das Lied vom Glück

Spiel mir das Lied vom Glück

Titel: Spiel mir das Lied vom Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
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musste wieder an Robert denken. Aus irgendeinem
Grund fiel mir wieder ein, was er vor einigen Monaten getan hatte, als ich im Spaß vorschlug, ich würde nach Tahiti auswandern, um der Hochzeit aus dem Weg zu gehen.
    »Mach darüber bloß keine Witze, du blöde Kuh!«, hatte er mir ins Ohr geflüstert und mir an den Haaren gezogen. »Das ist nicht komisch, verstanden?«
    Mit einem plötzlichen, unbeherrschten Wutausbruch stieß er mich gegen die Wand.
    »Das war nur ein Spaß, Robert, nur ein Spaß.«
    Ich versuchte, mein Haar aus seiner Faust zu lösen, aber er umklammerte mein Handgelenk und drückte es neben meinem Kopf an die Wand. Sein Gesicht war direkt vor mir. »Das ist nicht komisch, Eidechse, ganz und gar nicht.«
    Danach hatte er vier Tage lang nicht mit mir gesprochen. Am fünften Tag war ich mit den Nerven am Ende und flehte ihn an, mit mir zu reden, um die Sache zu klären. Er gestattete mir, es wiedergutzumachen, indem er mich drei Tage nacheinander fast die ganze Nacht bumste. Am Montagmorgen war ich wund. Ich hatte keinen Orgasmus gehabt, aber das wusste er natürlich nicht. Oder es war ihm egal. Rückblickend denke ich heute, es war Letzteres.
    Ich wusste, dass Stress bei mir die Angstkrankheit auslösen konnte. Es dauerte nicht lange, da bekam ich kaum noch Luft und fühlte mich schwindelig. Mir wurde kalt, meine Hände wurden zu zitternden Eisklumpen. Ich fragte mich, ob ich den Verstand verlor. Ich keuchte, würgte und hustete, es wurde immer schlimmer, bis ich fast nicht mehr atmen konnte.
    Mit letzter Kraft richtete ich mich auf und schüttelte, so gut es ging, die Beine aus, damit das Blut wieder durch die Adern floss. Der Anblick von Blut ist nicht schön, aber man spürt gerne, wie es durch den Körper fließt. Blut ist gut, solange es im Körper bleibt.
    Bald konnte ich ein wenig Luft holen. Ich schöpfte Atem und schwankte zurück zum Schaukelstuhl. Dort barg ich den
Kopf in meinen immer noch klammen Händen. Ich war so erschöpft, dass mir die Tränen kamen.
    Ich hatte es satt. Hatte die Angst satt. Die Symptome meiner Angstkrankheit. Die Sorge um meinen nahe bevorstehenden Tod.
    Ich musste zum Arzt gehen. Aber ich wollte keine Diagnose hören. Wollte nicht hören, dass mein Leben bald vorbei sein würde, wollte nichts von den Behandlungen wissen, denen ich mich mit Sicherheit unterziehen müsste. Wollte nichts mit Krankenhäusern, Ärzten und Spritzen zu tun haben.
    Aber das Unwissen wurde langsam schlimmer als das Wissen und der Umgang damit. Und vielleicht würde ich mit Medikamenten wieder atmen können. Atmen zu können ist so gut wie Blut, das durch den Körper fließt.
    Ich lehnte den Kopf gegen die Lehne des Schaukelstuhls.
    Vor zwei Dingen flüchtete ich: vor Robert und vor der Angstkrankheit. Das Fliehen zermürbte mich langsam.
     
    Am Abend rief wie immer Dean an. Die Angstkrankheit wurde ein wenig schwächer, und mir wurde warm ums Herz.
    Ich packte etwas für Shawn und Carrie Lynn zum Mittagessen ein, fügte eine Schachtel von meinen Pralinen hinzu und neue Sandalen für die beiden. Inzwischen war mir egal, ob die Mutter meine Geschenke bemerkte und sich beleidigt fühlte. Offenbar sah sie ihren Kindern nur selten auf die Füße.
    In der Lesestunde präsentierte ich ein Buch, das einen Umzug von Tieren beschrieb. Die Kinder bastelten Ohren in der Form von Hunden, Katzen, Hasen und Bären. Zwischendurch gab es Plätzchen in Tierform, wir sangen Lieder über Frösche und einen brummigen Grizzly, dann ahmten wir die Geräusche der Tiere nach und hoppelten, sprangen und tapsten durch die Bücherei.
    Ich dankte allen fürs Kommen und lud sie für den nächsten Tag ein.
    Ich bekam stehende Ovationen von den Eltern.
    Fast hätte ich geweint.
    Die Leute mochten mich. Ganz normale, glückliche, ordentliche Familien mochten mich.
    Ich konnte es kaum glauben.
     
    Am Nachmittag kam Stash und bestand darauf, dass ich mit ihm Schießen übte. Tante Lydia machte auch mit. Es war unglaublich, wie gut die beiden schießen konnten. Wenn sie wollten, konnten sie eine Spinne treffen, die an einem Faden hing.
    Meine Leistungen fanden nicht ihren Gefallen, wir mussten sehr lange üben. Schließlich taten mir die Arme weh.
    »Du musst die wütende Frau in dir finden«, mahnte Tante Lydia. »Und ihr sagen, sie soll voll draufhalten. Du konzentrierst dich nicht richtig. Die wütende Frau in dir kann dir dabei helfen.«
    »Ruhig halten, zielen, abdrücken«, fügte Stash hinzu und sah mich streng

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