Spiel mit der Liebe
Erinnerungen, an die sie nicht wieder denken wollte. Sie schob sie weit von sich, so wie sie es immer tat, öffnete das Buch und versuchte, zu lesen, doch die Buchstaben verschwammen vor ihrem Blick, während ihre Gedanken zu wandern begannen. Schließlich gab sie einfach auf und legte das Buch auf den Nachttisch neben dem Bett.
Sie war unerklärlich ruhelos, als sie aus dem Bett kletterte, zu ihrer Tasche hinüberging und darin herumsuchte. Sie holte einen großen Block Zeichenpapier hervor und einige Stücke Zeichenkohle und trug alles zum Fenster.
Sie hatte es schon immer geliebt, zu zeichnen. Doch im Gegensatz zu anderen jungen Damen war sie nicht interessiert an langweiligen Landschaften oder Blumensträußen. Kitt zeichnete Bilder aus dem Leben, Szenen, die sie bei ihren abenteuerlichen Streifzügen entdeckt hatte, Bilder, die sich in ihren Kopf eingebrannt hatten. Ein Fischhändler, der an einem Tag auf dem Markt Dorsch verkauft hatte. Einen zottigen schwarz-weißen Köter, der in dem Müll hinter einer Taverne herumschnüffelte. Ein Kind, das auf der Straße Kohle verkaufte. Es waren Bilder, die sich in ihrem Kopf eingenistet hatten, bis sie sie zu Papier brachte.
Sie machte es sich auf dem Fenstersitz bequem und starrte durch das regennasse Fenster in den Garten. Doch statt der lieblichen Landschaft mit den bunten Blumen, die sich unter ihr ausbreitete, sah Kitt das Bild eines Händlers, den sie einmal gesehen hatte. Er schob seinen wackligen Karren voller frisch geschnittener Blumen über die Straße. Sie war ihm im Dorf Godamin begegnet, als die Postkutsche nach Greville Hall geholpert war.
Er war ein alter Mann, erinnerte sie sich, als ihre Zeichenkohle über das Papier glitt, sein dünner Körper war gebeugt, sein Gesicht voller Leberflecken und runzlig, seine Hände vom Alter knotig. Sie zeichnete ihn mit entschlossenen, kühnen Linien, ihre Finger schwärzten sich von der Kohle.
Die Zeit verging, wie immer, wenn sie zeichnete. Ihre Finger begannen zu schmerzen, und sie bekam einen Krampf in ihrem Rücken. Als sie schließlich die Skizze beendet hatte, warf sie einen Blick auf die Uhr auf dem Kaminsims. Der Nachmittag war vergangen, es war beinahe Zeit zum Abendessen.
Plötzlich klopfte es an der Tür. Sie legte ihren Zeichenblock schnell beiseite und öffnete die Tür. Eine Zofe stand davor, mit den Kleidern, die Kitt aus London mitgebracht hatte. Beide waren frisch gebügelt.
»Mein Name ist Millie. Ihr Bad ist fertig, Mylady.« Das dünne Mädchen mit dem braunen Haar war recht hübsch, sie bemühte sich, nicht auf die zerknitterte Männerkleidung zu starren, die Kitt noch immer trug, und auch nicht auf die schwarzen Flecken an ihren Fingern. »Wenn Sie fertig sind, läuten Sie, dann komme ich und helfe Ihnen beim Ankleiden.«
»Danke, Millie.«
Die Wanne wurde gebracht, und Kitt sank dankbar in das heiße Wasser. Als sich ihre Muskeln entspannten, gingen ihre Gedanken zurück zu der peinlichen Begegnung mit Harcourt. Sie würde heute Abend zusammen mit ihm essen. Anständig gekleidet wäre sie nicht in einer solchen Verlegenheit wie zuvor, als sie als junger Mann gekleidet war. Sie konnte es mit Harcourt aufnehmen und auch mit jedem anderen Mann.
Sie dachte an das grüne Seidenkleid, das sie gekauft hatte. Es war modisch tief ausgeschnitten, ihre Stiefmutter hatte darauf bestanden, weil sie so die Aufmerksamkeit eines potenziellen Freiers auf sich lenken sollte. Das war Harcourt ganz sicher nicht, und das Letzte, was sie sich wünschte, war, seine Aufmerksamkeit auf das zu lenken, von dem die meisten Männer besessen zu sein schienen - auf die üppige Brust einer Frau.
Als Schwerenöter würde Harcourt diese Tatsache sicher nicht entgehen. Einen Augenblick lang wünschte sie sich, sie könnte ein hochgeschlossenes Kleid tragen, das sie vom Hals bis zu den Zehen bedeckte. Doch dann schüttelte sie den Kopf. Sie war eine Frau, und es gab nichts, was sie daran ändern konnte.
Zum Teufel mit Harcourt und mit jedem anderen Mann, schwor sie sich. Sie brauchte keinen Mann, der sie versorgte, und sie wollte auch keinen.
Dennoch, als sie sich seine große, gut aussehende Gestalt vorstellte, das charmante, viel zu sinnliche Lächeln, konnte sie nicht umhin, sich vorzustellen, was dieser Abend noch bringen würde.
Mit Millies Hilfe zog Kitt das smaragdgrüne Kleid an, dann saß sie geduldig vor dem Spiegel, während die Zofe ihr das Haar zu modischen Locken frisierte. Sie hatte es kurz schneiden
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