Spiel mit der Liebe
über das Papier. Sie sah nicht zu ihm auf. »Ich weiß es selbst nicht genau. Manchmal habe ich einfach das Gefühl, ich muss es tun. Wenn ich an einer Skizze arbeite, ist für mich sonst nichts mehr wichtig. Ich kann Dinge vergessen, ignorieren, an die ich lieber nicht denken möchte. Es ist so, als würde sonst nichts anderes auf der Welt geschehen.«
In ihren Worten lag eine Art Klage. Er fragte sich, was eine junge Frau in ihrem Alter vergessen wollte.
»Mein Angebot steht noch. Ich werde Sie mit zurück nach London nehmen, wenn Sie das möchten.«
Sie schüttelte nur den Kopf. »Ich glaube, ich bleibe besser hier - wenigstens noch eine Weile.«
Er blickte auf ihre Zeichnung, auf das kühne, freche Lächeln auf dem Gesicht des Mädchens. »Ich könnte Sie manchmal mitnehmen ... in Ihrer Männerkleidung, meine ich. In meiner Gegenwart würden Sie in Sicherheit sein.« Er konnte nicht glauben, dass er diese Worte wirklich laut ausgesprochen hatte. Es war verrückt. Er konnte sie unmöglich mitnehmen. Und dennoch wünschte er es sich. Er wünschte sich, dass ihr Gesicht strahlte, wenn sie die Welt zeichnete, die er ihr gezeigt hatte.
Kitt warf ihm einen vorsichtigen Blick zu. »Sie necken mich nur, nicht wahr?«
Clay zwang sich zu einem Lachen und tat so, als sei es nur ein Spaß gewesen, dabei fragte er sich, ob er vollkommen den Verstand verloren hatte. »Natürlich. Sie wären wohl kaum sicher. In dem Augenblick, in dem ich mit Ihnen allein wäre, würde ich versuchen, Ihren herrlichen kleinen Körper zu besitzen.«
Kitt lächelte nicht. »Nun, dann danke ich Ihnen für Ihr Angebot, aber ich glaube, ich muss es leider ablehnen.«
Clay blickte zum Haus, zu dem ausladenden Gebäude, das aus blassgelbem Stein erbaut war. Reihen von großen Fenstern erfüllten die Räume mit Licht und Luft, und breite Rasenstreifen umgaben das Haus wie ein Umhang. »Das Mittagessen ist wahrscheinlich fertig. Wir sollten zurück ins Haus gehen.«
»Bald«, stimmte ihm Kitt zu. »Nur noch ein paar Minuten, dann bin ich fertig.« Sie senkte den Kopf und begann wieder zu arbeiten, zeichnete mit schnellen Strichen und fing jede Einzelheit richtig ein. Sie war so in ihre Arbeit vertieft, dass sie gar nicht mehr wusste, dass er noch immer neben ihr stand. Eine Strähne ihres lockigen Haars wehte gegen ihre Wange und leuchtete im Licht der Sonne wie Rubine. Clay verspürte den Wunsch, sie zu berühren, die schwere Masse ihres Haares zu lösen und mit den Fingern hindurchzufahren, seinen Duft einzuatmen und die glänzenden Strähnen auf seiner Haut zu spüren.
Sein Penis schwoll an. Er fluchte leise, ignorierte den schwachen Schmerz, dann wandte er sich um und ging zurück zum Haus.
6
Justin klärte die Dinge mit ihrem Vater. Oder vielleicht war es ja auch Clay gewesen. Kitt war überrascht, als sie feststellte, dass Harcourt den Viscount und ihre Stiefmutter besucht hatte, sobald er nach London zurückgekehrt war. Er hatte die Schuld für die ganze Sache auf seine äußerst breiten Schultern genommen, hatte die beiden besänftigt und für sie eine Aufhebung ihrer zweiwöchigen Strafe erreicht.
Als Justin um die Erlaubnis gebeten hatte, dass sie in Greville Hall bleiben durfte, hatte ihr Vater zögernd zugestimmt und einen Koffer mit ihren Sachen geschickt und ihre Zofe, Tibby Moon, damit sie sich um Kitt kümmerte.
Kitt grinste. Sie war nicht nur den wachsamen Augen ihres Vaters entkommen, jetzt war sie in der Lage, Zeit mit Anna zu verbringen - diesem »berüchtigten Geschöpf«, wie ihre Eltern sie nannten, eine Frau, die sie strikt ablehnten.
Kitt saß im Goldenen Zimmer in Greville Hall und griff nach Annas Hand. »Du musst mir von deiner Reise nach Hause erzählen. Hast du irgendwelche interessanten Leute getroffen? Wie geht es Emily? Hattest du die Möglichkeit, sie und die Kinder zu sehen, während du dort warst?«
»Si. Si. Ich habe sie gesehen und viele andere aus meiner Familie und von meinen Freunden. Für eine Weile war es gut, wieder zu Hause zu sein. Aber ich habe meine Kinder vermisst. Und die Erinnerungen an meinen Antonio haben mich noch immer verfolgt. Ich bin froh, dass ich wieder in England bin.«
Das war der Grund, warum Anna Italien verlassen hatte. Drei lange Jahre hatte sie nach dem Tod ihres Geliebten, Antonio Pierucci, getrauert, dem brillanten jungen Künstler, der in dem Studio über dem Kutscherhaus gelebt hatte, das Anna extra für ihn hatte bauen lassen. Antonio war der Vater ihrer Kinder
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