Spiel mit der Liebe
aus dem Beutel, setzte ihn auf ihren Kopf und lief zur Treppe. Zehn Minuten später saß sie auf einem großen grauen Wallach und ritt wie der Teufel durch die verlassenen Straßen von London zum Grantham Park.
Wie viel Zeit hatte sie verloren? Würde sie noch früh genug dort sein, um die beiden aufzuhalten? Sie hatte keine Ahnung, wie sie das tun sollte. Sie wusste nur, dass sie es versuchen muss-
Die Sonne begann gerade aufzugehen, und sie warf einen harten orangefarbenen Schein über den Horizont, als Kitt die Reihe der Kutschen entdeckte, die auf dem Weg neben dem Park standen. Sie ließ den Grauen langsamer gehen, dann hielt sie unter den überhängenden Zweigen einer Platane an und glitt leise aus dem Sattel. Sie war vorsichtig bemüht, im Schatten zu bleiben, ihr Herz klopfte wild, als sie auf die Männer zulief, die sich bereits auf dem Feld versammelt hatten.
Sie standen Rücken an Rücken, die Pistolen zeigten zum Himmel, Clays Gesichtsausdruck war grimmig. Ihr Magen zog sich zusammen. Mit jedem Schritt, den sie machte, wurden ihre Beine schwerer. Aus den Augenwinkeln entdeckte sie Justin und noch zwei andere Männer, die sie nicht kannte, die für Westerly gekommen waren. Justin sah sie einen Augenblick vor Clay. Sie hörte, wie er einen leisen Fluch murmelte, dann kam er auf sie zugelaufen, schnitt ihr den Weg ab und zog sie dann hart an seinen breiten Oberkörper.
»Lass mich los!« Sie bemühte sich, sich aus seinem Griff zu befreien, ihr entsetzter Blick hing an Clay, sie zitterte vor Angst. »Ich muss sie aufhalten. Hilf mir! Wir müssen etwas tun!«
Justin schüttelte sie heftig. »Um Himmels willen, Kitt, hör auf und denke darüber nach, was du tust! Möchtest du, dass er umgebracht wird!« Sie fühlte die Anspannung in seinem kräftigen Körper, die Angst, die ihn genauso befallen hatte wie sie.
Sie hörte auf, sich zu wehren, ihr Körper wurde schlaff. »Aber es gibt doch sicher etwas, das du tun kannst«, meinte sie schwach und wusste, dass er Recht hatte, dass es bereits zu spät war.
»Es tut mir Leid, Liebes«, sagte er und warf einen Blick zu Clay, dessen Aufmerksamkeit sich wieder auf Marlow gerichtet hatte. »Ich fürchte, es ist uns bereits aus den Händen genommen.«
Obwohl sie keine weiteren Anstalten machte, ihm zu entflie-
hen, gab Justin sie nicht frei, und in gewisser Weise war sie froh darüber. Sie brauchte seine Unterstützung. Gütiger Himmel, sie kannte Stephens Ruf als Scharfschütze. Er war schon immer stolz gewesen auf seine Fähigkeiten.
Clay warf ihr einen unergründlichen Blick zu, und die Männer begannen zu zählen. Zwei. Drei. Vier. Bei fünf durchfuhr ein Schauer der Angst ihren Körper. Bitte, Gott, gib, dass Stephen ihn nicht umbringt! Sieben. Acht. Neun. Stephen wirbelte herum, noch ehe die Zahl zehn genannt wurde und hob die Waffe. Clay musste diese Bewegung erwartet haben, denn er wandte sich in beinahe dem gleichen Augenblick auch um, sein Körper neigte sich ein wenig zur Seite, machte sich ganz schmal und bot Stephen so ein schwierigeres Ziel für seine Kugel.
Kitts Magen zog sich zusammen beim Geräusch des Schusses aus Westerly’s Waffe. Sie ging mit einem betäubenden Lärm los. Kitt schrie auf, als Clay zusammenzuckte und ein heller roter Fleck an der Seite seiner Jacke erschien. Sie versuchte, sich aus Justins Armen zu befreien, doch er hielt sie fest. »Ruhig.«
Einen Augenblick lang sah Clay ihr in die Augen. Dann hob er seine Pistole, richtete sie auf Stephen und zielte sorgfältig.
Westerly rannte los. Einige Schritte lies Clay ihn laufen, dann senkte er die Pistole, richtete sie von hinten auf Stephens Knie und schoss.
In dem gleichen Augenblick, in dem der Graf zu Boden ging, rannte Kitt auf Clay zu. »Clay!« Das Herz hämmerte in ihrer Brust, ihre Handflächen waren feucht, und ihr Mund war so trocken, dass sie nicht schlucken konnte. Bitte, Gott, gib, dass er nicht schwer verletzt ist.
Clay stand noch immer auf den Beinen. Er richtete seine Aufmerksamkeit auf sie und kam dann auf sie zu, eine Hand hatte er gegen den immer größer werdenden roten Fleck an seiner Seite gepresst.
In dem Augenblick, als er bei ihr angekommen war, warf sie sich in seine Arme. Sie zitterte, als er den Arm um sie legte und sie festhielt.
»Ich dachte, ich hätte dir gesagt, du solltest nicht kommen«, sagte er an ihrem Ohr. Doch seine Worte klangen nicht zornig, nur die Sorge um sie war herauszuhören und etwas, dem sie keinen Namen geben
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