Spiel um Macht und Liebe (German Edition)
Gefühle nachgedacht hatte, sondern dass er sich vor ihnen verschlossen hatte.
Hatte er sich davor gefürchtet, hinter den Schatten zu sehen, den sein Vater über sein Leben warf? Wollte er nicht sehen, wer er selbst war?
„Ich bin fertig, Onkel Saul.“
Den Rest des Tages verbrachte Saul damit, die Akte noch einmal zu lesen, die er mitgebracht hatte. Die neuen Informationen, die er seit seiner Ankunft in Cheshire dazugewonnen hatte, fügte er in dieses Bild ein.
Christie rief an, um zu wissen, ob alles in Ordnung sei. Sie klang besorgt und abwesend, als Saul mit ihr sprach, fast gereizt. Aber das führte Saul auf die Anstrengung zurück, die solche Kongresse immer mit sich brachten.
Sein nächster Schritt war die Kontaktaufnahme mit dem Bankmanager der Zweigstelle, die auch für Carey’s zuständig war. Er musste sichergehen, sie auf seiner Seite, oder besser, auf Sir Alex’ Seite zu wissen.
Das durfte nicht zu schwierig sein. Carey’s waren bei der Bank schwer verschuldet, und Saul bezweifelte nicht, dass die Bankiers in der gegenwärtigen Situation nur zu glücklich waren, die Verpflichtungen an Sir Alex weiterzugeben.
Gregory James hatte es sehr klug eingefädelt, der Bank keine Sicherheiten für die Darlehen zu verschreiben. Und da das Grundkapital der Firma so gering war, konnte die Bank schon froh sein,auch nur die Hälfte des Geldes wiederzusehen, wenn die Firma bankrottging oder verkauft wurde.
Ja, der Bankmanager würde ihn mit offenen Armen begrüßen und alles tun, um Davina James zum Verkauf zu überreden.
Saul kam ins Grübeln und klopfte mit den Fingerspitzen auf den Tisch. Davina James war keine Geschäftsfrau. Sie verstand so wenig vom Geschäft, dass sie sogar Giles Redwood anflehen musste, zu bleiben und die Firma für sie zu führen.
Schlief sie deswegen mit ihm? Oder belohnten sie sich damit nur gegenseitig? Hatten sie vielleicht schon eine Affäre gehabt, bevor Gregory James gestorben war? Und wieweit hatte ihre Affäre überhaupt mit Sauls Einschätzung der Situation zu tun?
Wenn sie sich als beharrlich herausstellte, was diese Beziehung betraf, dann war es vielleicht nicht mehr möglich, Druck auf sie auszuüben, indem man Giles bestach, damit er die Firma verließ. Es hing davon ab, wem von den beiden die Beziehung am meisten bedeutete. Das musste doch Davina sein, oder? Eine einsame, wahrscheinlich verunsicherte Frau, deren Ehemann ihr ganz offen untreu gewesen war.
Saul runzelte die Stirn. Es irritierte ihn, dass sie sich nicht so leicht in eine Schublade pressen ließ, wie er gedacht hatte. Es gab zu viele widersprüchliche Einzelheiten, zu viele Dinge, die bei ihr nicht zusammenpassten. Doch was hatte sie eigentlich an sich, dass er sich ihretwegen so viele ungewollte Gedanken machte? Sie war siebenunddreißig und Witwe, eine Frau, die gezwungen war, in die Fußstapfen ihres Mannes zu treten. Sie konnte nicht das kleinste Interesse an der Firma haben, obwohl sie den Großteil der Aktien besaß. Im Grunde durfte ihn eine Frau wie sie keinen Millimeter von dem geplanten Weg abbringen können. Sie war weder jung, schön, noch übermäßig intelligent. Weshalb hatte sie sich dann in seinem Verstand eingenistet und ließ ihn nicht mehr zur Ruhe kommen?
Er schüttelte diese Überlegung ab und leugnete den Gedanken. Genau, wie er so viele Jahre lang geleugnet hatte, dass er eine Rolle im Leben spielte, die eigentlich zu jemand anderem gehörte. Es waren nicht seine Ziele und seine Wege gewesen, die er verfolgt hatte. Sein Ansporn war nie der finanzielle Erfolg gewesen, sondern lediglich der Wunsch, von seinem Vater anerkannt und geliebt zu werden.
Weshalb fühlte er sich so erniedrigt, wenn er sich dieses Bedürfnis eingestand? Wieso kam er sich dabei so verletzlich und verängstigt vor? So wütend?
War es tatsächlich falsch für einen Mann, sich einzugestehen, dass er von jemandem geliebt werden wollte, noch dazu von seinem Vater?
Er blickte zu Cathy, die in ein Buch vertieft war. Man brauchte Cathy nicht zu fragen, ob sie sich der Liebe ihrer Mutter sicher war. Das war zu offensichtlich. Aber was war mit seinen eigenen Kindern? Wollte er, dass sein Sohn und seine Tochter dieselben Fehler machten und ihr Leben mit der Suche nach etwas verbrachten, auf das jedes Kind ein natürliches Anrecht hatte? Was für ein Vater war er überhaupt, dass er dieses Bedürfnis nicht sehen wollte?
Er bewegte sich unruhig auf seinem Stuhl. Offenbar übernahm er jetzt einfach Christies
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