Spiel um Macht und Liebe (German Edition)
schwieriges Kind gewesen. Ihre Lehrer hatten sich über ihre Eigenwilligkeit beschwert und gesagt, das liege an ihren roten Haaren. Lucy war das egal gewesen. Wenn sie böse war, mussten die Menschen sie zur Kenntnis nehmen. Als böses Kind war sie fast genauso wichtig wie ein Junge.
Für ihr Alter war Lucy groß gewesen, dazu noch dünn und schlaksig. Mit fast fünfzehn Jahren geschah es dann fast über Nacht, dass sie sich aus einem hässlichen dürren Schulmädchen in eine verblüffend sinnliche junge Frau verwandelte.
Auf einmal hatte sie eine gute Figur und besaß Brüste, eine Taille und weibliche Hüften. Ihre vorher so dünnen und hageren Beine wirkten jetzt beneidenswert lang und schlank. Ihre Augen bekamen einen unergründlichen Ausdruck, und ihre Lippen wirkten voller. Schlagartig entdeckte Lucy ihre sexuelle Macht, und gleichzeitig wurden auch die Jungen auf sie aufmerksam.
Alles wurde anders. Lucy erkannte, dass ein Blick ihrer verführerischen Augen und ein Zurückwerfen ihres roten Haars ausreichten, um jeden Jungen der Nachbarschaft um den Finger zu wickeln.
Urplötzlich besaß sie etwas, wonach andere sich sehnten, und deswegen wurde sie geschätzt und geliebt. Jedenfalls kam das dem gefühlsmäßig ausgehungerten Kind so vor, das noch immer in dem weiblichen Körper von Lucy wohnte.
Eine Zeit lang war sie glücklich. Die Menschen, jedenfalls die Jungen, begehrten sie und sagten ihr, wie sehr sie sie liebten. Dann verkündete ihr ihre Mutter drei Monate vor Lucys siebzehntem Geburtstag, dass sie wieder heiraten wolle. Dieser Mann wollte anscheinend keine siebzehnjährige Stieftochter, und so wurde beschlossen, dass Lucy bei einer Tante ihrer Mutter inLondon leben solle.
In der Schule erzählte Lucy jedem, dass es nichts Größeres als London für sie gäbe, und sie tat sogar so, als habe sie ihre Mutter dazu überredet, sie zu ihrer Tante ziehen zu lassen.
Im Schauspielern war Lucy ziemlich gut geworden. Zum Beispiel, wenn ihre Verehrer unbeholfen an ihrer Kleidung herumfummelten, wobei ihre Hände heiß und verschwitzt Lucys Haut berührten. Dann spielte sie sich selbst vor, dass sie es genoss, berührt und begehrt zu werden, obwohl sie sich innerlich sehr verängstigt und vereinsamt fühlte. Das würde sie jedoch niemals zugeben. Niemandem gegenüber.
Mit achtzehn ging Lucy von der Schule ab und nahm ein paar unterschiedliche Jobs an. Davon gab es in London genug, und Lucy war viel zu sehr damit beschäftigt, sich zu amüsieren, um sich über die Zukunft Sorgen zu machen.
Sie wohnte nicht mehr bei ihrer Tante. Jetzt wohnte sie mit drei anderen Mädchen zusammen, und ihre Mitbewohnerinnen wechselten häufig. Das Leben war sorglos und einfach. Lucy war beliebt und umschwärmt. Mit einundzwanzig war sie bereits dreimal verlobt gewesen und hatte auch noch einige andere Heiratsanträge abgewiesen.
Aber tief drinnen war Lucy trotz ihrer Beliebtheit voller Angst. Sie hatte den Eindruck, als sei sie es in gewisser Weise nicht wert, geliebt zu werden. Wenn Männer ihr sagten, dass sie sie liebten, dann hatte sie Angst, ihnen zu glauben. Auch ihr Vater hatte gesagt, er liebe sie, doch das hatte nicht gestimmt. Er hatte sie verlassen, und ihre Mutter hatte dasselbe getan.
Lucy war fest entschlossen, nie wieder verlassen zu werden, und deshalb war sie immer diejenige, die andere verließ.
Aus dem hübschen Mädchen war eine überwältigend schöne und sinnliche junge Frau geworden, und die Männer waren von ihr begeistert. Trotzdem war sie jetzt vorsichtiger, fast misstrauisch, und war anderen gegenüber nicht mehr so offen. Sie hatte gelernt, dass Männer das am meisten begehrten, was schwer zu bekommen war. Lucy sorgte dafür, dass es sehr schwer war, sie zu bekommen. Zu schwer für die meisten.
Und dann traf sie Giles.
Sie arbeitete für eine aufstrebende Londoner Werbeagentur. Und Giles war bei einer Personalagentur, die für die Werbeagentur einen neuen Abteilungsleiter suchte.
Eines Nachmittags kam er zu einem Treffen mit Lucys Chef. Und dann kam er täglich wieder, die ganze Woche lang, bis er schließlich den Mut aufbrachte, Lucy zu fragen, ob sie mit ihm ausgehen wolle.
Er war überhaupt nicht Lucys Typ, viel zu schüchtern und zu ruhig, aber er redete weiter auf sie ein, bis sie schließlich, teils aus Erschöpfung, teils aus Belustigung, doch mit ihm ausging.
Erst nach dem fünften Treffen mit ihm gestand Lucy sich ein, dass sie, auch wenn er nicht ihr Typ war, die Art, mit der er
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