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Spieltage

Spieltage

Titel: Spieltage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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statt einfach elf gegen elf über den ganzen Platz zu spielen, hat jeder Spieler in einer Trainingseinheit zehnmal so viele Ballkontakte. Dann müsste er auch einen deutlich höheren Lerneffekt haben.
    Oho, der Herr Fußballtrainer kommt mir nun mit mathematischen Gleichungen?
    Denk lieber einmal mit, statt zu spotten, Winzlinger!
    Kam es ihm nur so vor, oder konnte Heinz Höher nicht mehr einschlafen, seit er Trainer war?
    Da war immer etwas, was ihn beschäftigte, sobald er sich ins Bett legte. Wie oft sollte er trainieren lassen, wenn sie gleich zu Beginn der Bundesliga im englischen Rhythmus Samstag – Mittwoch – Samstag spielten? Konnte er den jungen Köper schon ins Mittelfeld einbauen? Was würde der Formann morgen in der Zeitung wieder zu meckern haben?
    Er ließ sich vom Mannschaftsarzt Schlaftabletten verschreiben. Er nahm sie jeden Abend. Nachts wachte er trotzdem weiter auf. Aber das war unerheblich, nachts um vier konnte er sich Winzlinger herbeirufen und mit ihm nachdenken, Hauptsache, er schlief abends ein.
    Beim Training trugen manche der Bundesligafußballer des VfL Bochum dunkelblaue Trainingsanzüge, andere hellblaue Baumwollsweater; manche hatten Trainingsjacken mit zwei Streifen, andere mit drei. Für die neuntbeste Fußballmannschaft in Deutschland gab es noch reichlich Verbesserungspotenzial: dass zum Beispiel die Trainingskleidung vom Verein gewaschen und einheitlich bereitgestellt wurde. In Bochum wuschen die Spieler ihre Trainingsklamotten zu Hause und brachten sie selbst mit. In der winzigen Waschkammer im Stadion war kein Platz, auch noch die Trainingskleidung aufzubewahren.
    Nur die Mannschaft war in der ersten Liga, das Stadion war drittklassig geblieben.
    Wir haben nicht einmal 2000 Sitzplätze, das ist eine Katastrophe, jammerte Ottokar Wüst Heinz Höher vor, die Bayern werden im neuen Olympiastadion 40000 Sitzplätze haben, die werden jeden Samstag fünfmal so viel Geld wie wir einnehmen.
    Und die Verpflichtung von Lothar Emmerich, sagte Wüst dem Trainer, konnte er gleich vergessen, viel zu kostspielig. Sie mussten nur sehen, wie sie es Formann beibrachten, ohne dass der WAZ- Redakteur die Ablehnung seiner fixen Idee als persönliche Brüskierung betrachtete.
    Statt den Weltmeisterschaftszweiten Emmerich brachte Heinz Höher zur Verstärkung zwei Spieler von Schwarz-Weiß Essen aus der Regionalliga mit, Reinhard Majgl und Michael Lameck. Hinzu kamen ein neuer Torwart und ein 18-jähriger Junge aus der Bochumer A-Jugend, der dort mit seinem Ehrgeiz alle verrückt gemacht hatte, weil die Mitspieler zu schlecht für ihn waren. Hermann Gerland oder so hieß er.
    Heinz Formann wollte es nicht glauben, dass Bochums neuer Linksaußen Majgl statt Emmerich hieß. »Reinhard Majgl ist wohl keine echte Alternative«, schrieb er in der WAZ , »jedenfalls nicht im Ernst. Kennen Sie den überhaupt? Ich habe mich bei meinen Essener Kollegen erkundigt. Ihr Eindruck: ›Guter Techniker, aber viel zu weich.‹«
    Dieser Formann ging Heinz Höher auf die Nerven. Das einzig Gute war, dass Borner von den Ruhr Nachrichten automatisch auf seiner Seite war, nur weil Formann gegen ihn war. Das schien wohl das ultimative Gesetz des Pressekonkurrenzkampfes: War die eine Zeitung dafür, musste die andere dagegen sein, egal, worum es ging.
    Je näher der Bundesligaauftakt rückte, desto mehr ließ Heinz Höher seine Mannschaft im Training spielen, das heißt, er ließ sie laufen, ohne dass sie es merkten. Er hielt die Spielfelder weiter künstlich klein, so sprinteten die Fußballer, ohne es zu merken, permanent im hohen Tempo mit äußerst kurzen Pausen. Reinhard Majgl schien in solch einem Spiel Eia Krämer auf irgendeine Art provoziert zu haben, hatte er etwas gesagt, hatte er Krämer gefoult, Heinz Höher hatte es nicht mitbekommen, aber nun war Eia außer sich. Er trat Majgl wüst um. Heinz Höher hatte sich vorgenommen, keine Fouls zu pfeifen, das Trainingsspiel sollte fließen, und die Spieler sollten sich an die Härte gewöhnen. Eia Krämer trat schon wieder Majgl von hinten in die Achillessehne. Eia Krämer säbelte Majgl im vollen Lauf das Standbein weg. Heinz Höher fühlte sich ohnmächtig. Er wusste, er musste einschreiten, hatte aber gleichzeitig das Gefühl, er könne nicht mehr eingreifen, weil er das Spiel schon so lange hatte weiterlaufen lassen, nun einzugreifen würde inkonsequent wirken. Krämer jagte Majgl. Er foulte ihn fünf Mal, zehn Mal. Heinz Höher tat, als merke er nichts, und

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