Spione, die die Welt bewegten
sein Erster Minister. Er zog mit großem politischem Talent die Fäden, bestimmte, was
im Interesse des Staates lag und war der eigentliche Herrscher von Frankreich. Geheimniskrämerei und Öffentlichkeit lagen
bei ihm dicht zusammen. Um seine Ideen von einem absolutistischen Staat durchzusetzen, baute er ein enges, erfolgreiches und
für ihn verlässliches Netz von Spionen auf. Gleichzeitig beschäftigte er Auftragsschreiber, die in einer Art Staatspropaganda
seine Ansichten und Pläne auf das Höchste lobten. Abweichende politische Vorstellungen gelangten kaum an eine größere Öffentlichkeit.
Informationsbeschaffung und Beeinflussung der öffentlichen Meinung hatten für Richelieu hohe Priorität. Er förderte die Entwicklung
von oft handschriftlich vervielfältigten Veröffentlichungen, die den Eliten des Staates unter dem Vorwand der Informationsvermittlung
seine eigenen Meinungen und Vorstellungen unterbreiteten. Richelieu war stets gut informiert und konnte dadurch Kontakte knüpfen
und seinen Feinden Fallen stellen. Gerade wegen seiner geheimen Aktivitäten und den zahlreichen Intrigen hatte er viele Feinde.
Große Teile des Hochadels fürchteten mit Recht um ihre Macht und hassten ihn, doch es gelang nie, ihn zu stürzen. Der Schriftsteller
Alexandre Dumas verewigte Richelieu in seinem Werk über die Abenteuer der drei Musketiere als Sinnbild des intriganten Bösewichts.
Doch Richelieu sah sich selbst als einen Patrioten, der seinem Staat eine Vormachtstellung verschaffen wollte und dem dazu
jedes Mittel recht war. Krone und Volk waren nach seiner Meinung eng miteinander verknüpft, doch Entscheidungen fällte nur
die Krone. Sie entschied, ohne einen Einspruch zu dulden, über das Volk. Auf seinem Sterbebett soll ihn ein Priester ermahnt
haben, seinen Feinden zu vergeben. Richelieu aber soll verständnislos geantwortet haben, dass er niemals selbst Feinde gehabt
habe, alle seine Feinde wären gleichzeitig auch die Feinde des Staates gewesen.
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Staatspropaganda
Im Mai 1631 gründete Richelieu eine Wochenzeitung mit dem Namen
La Gazette
, die von Théophraste Renaudot herausgegeben wurde. Der Herausgeber erhielt sogar die Vollmacht, im Ausland Korrespondenten
zu beschäftigen. Gegner von Richelieu nannten Renaudot „eine der Kreaturen des Kardinals“. Die Korrespondenten selbst waren
hauptsächlich Spione, die sich als Journalisten tarnten. Die Eliten des Staates und alle anderen Menschen, die lesen konnten,
informierte die Zeitung über Nachrichten bei Hofe, über diplomatische Verhandlungen und Entscheidungen sowie über militärische
Aktivitäten und ausländische Ereignisse. Die Nachfrage nach
La Gazette
war groß. Ihr Hauptzweck blieb aber dennoch die Staatspropaganda. Mit der Zeitung wurden Meinungen nicht nur beeinflusst,
sondern auch gemacht und verbreitet. Die wichtigsten Autoren waren der König selbst und sein Erster Minister Richelieu. Beiträge
des Königs wurden meist von Richelieu redigiert und zum Druck freigegeben. Bei solchen Gelegenheiten konnte er natürlich entgegen
der Gedankengänge des Königs neuartige Schwerpunkte setzen, um die Leser in seinem Sinn zu manipulieren.
Seit dem Jahr 1626 arbeitete beim König der Kammersekretär Michel Lucas, der die Handschrift von Ludwig XIII. täuschend echt
nachahmen konnte und manches offiziell königliche Dokument sogar selbst schrieb. Richelieu durfte diesem Kammersekretär Weisungen
geben, und es ist sehr wahrscheinlich, dass Lucas auch Dokumente schreiben musste, die nach dem Schriftbild zu urteilen vom
König stammten, hinter denen aber in Wahrheit Richelieu stand. Im Umfeld von Richelieu waren zahlreiche einflussreiche Persönlichkeiten
für die Staatspropaganda aktiv. Sie verfassten Flugblätter, Pamphlete oder andere Schriften und brachten sie in Umlauf. Häufig
wurden sie direkt von Richelieu zum Schreiben angeregt oder sie erhofften sich durch ihre Tätigkeit sein Wohlwollen. In allen
Fällen trugen sie Vorstellungen von Richelieu in eine breite Öffentlichkeit und machten für ihn Werbung.
Zu diesen Persönlichkeiten gehörte auch der Geistliche François Dorval-Langlois de Fancan, der für Richelieu wiederholt wichtige
Dokumente verfasst und geheime Aufträge übernommen hatte. Fancan soll ein bewährter Geheimagent des Kardinals gewesen sein.
Im Juni 1627 wurde Fancan plötzlich verhaftet, denn es gab Anhaltspunkte, dass er ein Doppelagent gewesen war. Er soll
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