Spitze sein, wenn's drauf ankommt
Heiligabend 2009. Ich besuche meine Familie in meiner alten Heimat Tarp – in der Nähe von Flensburg. Am Nachmittag gehe ich eine Stunde Laufen. Es liegt Schnee, die Wege sind mehr schlecht als recht gestreut. Bei meiner damaligen Grundschule begegne ich einem Ehepaar, das gerade ihren Weihnachtsspaziergang macht. Ich grüße freundlich, während ich vorbeilaufe und wünsche ein frohes Fest. Ca. 20 m später passiert es. Ich rutsche weg und lande flach auf dem Bauch – alle Viere von mir gestreckt. Wie ein platter Käfer liege ich auf dem Weg. Ich bleibe einige Sekunden liegen, sammle mich, überprüfe, ob noch alles dran ist, und stehe wieder auf. Das Ehepaar ist bereits auf dem Weg, um mir zu helfen. Ich drehe mich zu ihnen und sage: „Alles in Ordnung. Vielen Dank. Ich wollte nur einmal die Bodenbeschaffenheit testen.“
Was machen die meisten, wenn sie einmal ausrutschen und hinfallen? Das Knie tut weh, blutet vielleicht noch. Die erste Reaktion ist jedoch nicht: „Oh, mein Knie.“ Du kannst dich kaum bewegen, drehst jedoch deinen Kopf in alle Richtungen, um zu schauen: „Hat mich jemand gesehen? Oh, mein Gott, ist das peinlich.“ Viele Menschen nehmen alles zu wichtig und zu ernst. Viele Ängste haben mit der Angst zu tun, sich zu blamieren, dass es peinlich ist oder dass ein Misserfolg droht.
Stelle dir in Zukunft folgende Frage, wenn du vor etwas Angst hast:
„Was ist das Schlimmstmögliche, was mir passieren kann?“
Wenn dein Scheitern schwere Folgen hat, wie ggf. schwere Verletzungen oder den Tod, ist es klar, dass du entscheidest, das angedachte Vorhaben zu unterlassen. Derartige Folgen sind jedoch die Ausnahme.
„Was ist das Schlimmstmögliche, was mir passieren kann, wenn ich im Vortrag oder Kundengespräch einen Blackout habe?“
Schätze ein, wie realistisch es ist, dass die eventuellen Folgen tatsächlich eintreten und wenn ja, ob du diese akzeptieren kannst. Über 90 % deiner Sorgen und Ängste sind im Nachhinein unbegründet und überflüssig, weil sie gar nicht eintreten.
„LMAA – Lächle mehr als Andere.“ Ach, was soll's, wenn du dich blamierst? Ach, was soll's, wenn es falsch ist, was du sagst? Habe den Mut zum Misserfolg, den Mut zur Blamage. Es ist alles halb so schlimm. Gleichgültig, ob du einen Fehler machst oder nicht. Es reißt dir keiner den Kopf ab. Fehler sind erlaubt. Sie sind die beste Möglichkeit, dich weiterzuentwickeln. Sportler bestätigen mir regelmäßig in Interviews und im Rahmen unserer Zusammenarbeit, dass sie am meisten aus ihren Fehlern und Niederlagen lernen.
Sportler: Der Nationaltrainer der Hockeyherren Markus Weise – der zwei Mannschaften zum Olympiasieg geführt hat – geht sogar soweit, dass er auf die Frage: „Was muss ein Spieler mitbringen, um bei dir eingesetzt zu werden?“ antwortet: „Ich erwarte ein Höchstmaß an körperlicher Fitness, absolute Einsatzbereitschaft, konsequentes Einbringen der persönlichen Stärken ins Team und eine günstig verlaufende Lernkurve – sprich, dass jeder Spieler sich kontinuierlich steigert und besser wird und in seiner Entwicklung neue Fehler macht, statt die alten zu wiederholen.“ Du siehst, Fehler sind selbst in der Weltspitze erlaubt – nein, sie sind sogar notwendig!
Bei intensiverer Auseinandersetzung mit dem Geschehen fällt deine Angst plötzlich vor dir zusammen. Wenn du das verstehst und umsetzt, wirst du zukünftig ruhiger, deine Atmung langsamer, du traust dir mehr zu und sprichst sicherer. Akzeptiere stets das Schlimmstmögliche und erwarte das Bestmögliche, und du überwindest viele deiner Ängste.
Technik 4: Mache dir ein Kopfkino
Wenn du vor etwas Angst hast, laufen bei dir häufig Filme im Kopf ab, in denen du dich siehst, wie deine Angst Realität wird und du scheiterst. Schüler sehen sich bereits, wie sie die Klassenarbeit mit der schlechten Note zurück bekommen, noch bevor sie die Arbeit überhaupt geschrieben haben. Verkäufer sehen bereits vor dem Verkaufsgespräch, wie der Kunde das Angebot ablehnt. Sportler machen sich schon vor dem Spiel Gedanken darüber, wie die Kabinenpredigt ihres Trainers nach dem Spiel ablaufen könnte oder was sie der Presse als Ausrede liefern, warum sie verloren haben. Es scheint, als bestünde die ganze Welt aus Hellsehern. Nachdem genau das eingetreten ist, was sie sich vorher bildhaft vorgestellt haben, sagen diese Menschen Sätze wie: „Siehst du, habe ich es dir doch gesagt. Es ist genausoeingetroffen, wie ich es mir vorgestellt
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