Splitter im Auge - Kriminalroman
Schulze mag ein Arschloch sein, aber das geht echt zu weit. Ich trau’ ihm das jedenfalls nicht zu.«
Steiger war überrascht. Batto war keiner, für den Freundschaft sich durch Dauerscherzen und Endlosblödeln auszeichnete, es durfte auch schon mal ernst zugehen, nicht umsonst hatte er jahrelang den Psychoonkel gespielt. Aber dass er so etwas völlig in den falschen Hals bekam, hätte er nicht erwartet.
Nach ein paar Beschwichtigungen versuchte Steiger, das Gespräch in wärmeres Klima zu steuern, und merkte sofort, dass Batto das erkannte. Aber der ließ es zu.
Sie redeten noch eine Stunde.
»Du kannst heute Nacht bleiben«, hatte Eva gesagt, kurz nachdem er seinen Mantel ausgezogen hatte, aber schon in dem Moment war ihm klar gewesen, dass er später nach Hause fahren würde.
Sie hatten etwas getrunken und geredet, es war ein Abend gewesen wie zuletzt immer, bis zu dem Moment, als sie ihn gefragt hatte, ob er am Wochenende mit ihr essen gehen werde, weil sie Geburtstag habe. Sofort hatte er eine Hitze in sich gespürt, einen kleinen, glimmenden Punkt unterhalb der Rippen, und er hätte nicht sagen können, ob dieses Gefühl angenehm war.
Jetzt lag er neben ihr und hörte an ihrem Atem, dass sie schlief. Er versuchte sich zu erinnern, ob sie schon jemals vor ihm eingeschlafen war, aber es fiel ihm nicht ein. Es war immer anders herum gewesen, er war irgendwann hinübergeglitten und hatte in der Dunkelheit bis zum Schluss ihre Wachheit wahrgenommen. Es war, als hindere ihn ihr Schlaf daran, sie jetzt zu verlassen.
Nach ein paar Minuten innerem Kampf stand er auf, zog sich leise an und ging zur Tür. Eva schlief immer noch. Er legte das Geld auf ein kleines Tischchen im Flur und verließ das Haus. Draußen schien ein fast voller Mond, und auf seinem Auto hatte sich eine feuchte Schicht gebildet.
39
Mitten im Autobahnkreuz Wuppertal-Nord spuckte der BMW am nächsten Morgen das erste Mal. Steiger kannte so etwas, sein ganzes Leben lang hatte er alte Kutschen gefahren, und bei denen kam das schon mal vor und hörte auch wieder auf. Kurz hinter Langerfeld war es aber schon kein einzelner Zündaussetzer mehr, sondern ein Rumpeln. In Ronsdorf, eine Ausfahrt weiter, fuhr er ab, weil es sich jetzt gar nicht mehr gut anhörte.
Mit achtzehn waren die alten Autos einfach praktisch gewesen, sie kosteten eben nicht viel, selbst wenn man sich irgendein Riesenschiff zulegte. Schon sein zweiter Wagen war ein Ford 20M gewesen, ein surrender Sechszylinder, dessentwegen ihn seine Kumpels allerdings ständig verarscht hatten: Rentnerkiste. Wahrscheinlich war damals ein Muster angelegt worden, das er sein Leben lang nicht verlassen würde, oder nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen, einem Lottogewinn vielleicht oder einer günstigen Scheidung, wenn man mal Batto als Beispiel nahm.
Bei den sechs Zylindern war er geblieben, und mindestens einer schien an diesem Morgen seine Arbeit eingestellt zu haben, so viel verstand Steiger noch davon. Früher hatte er alles selbst gemacht und mit Batto sogar einmal aus zwei alten, schrottreifen Daimlern einen neuen gebastelt. Waren einige Wochenenden dabei draufgegangen, aber das Ergebnis konnte sich sehen lassen, damals.
Er rollte mit Mühe weiter, und die nächste Werkstatt, die er fand, war nach ein paar Kilometern ein Autohaus.
Der Schrauber, dem der Meister vom Dienst nach einer halben Stunde in militärischem Ton den Auftrag erteilte, mal nachzusehen, war offensichtlich Türke, hatte fast blaue Haare und einen starken Akzent, allerdings einen bergischen. Der Mann sah auffallend auf das Kennzeichen, und Steiger hoffte, dass er kein BVB -Fan war. Er wohnte zwar schon seit knapp zwanzig Jahren nicht mehr in Gelsenkirchen, brachte es aber nicht übers Herz, mit einem Dortmunder Kennzeichen durch die Gegend zu fahren, das wäre dann doch zu viel gewesen. Darum hatte er den Wagen auf seinen Vater in Gelsenkirchen angemeldet, und erst jetzt fiel ihm auf, dass er sich auch dafür eine andere Lösung einfallen lassen musste. Der Schrauber tauchte in den Motorraum ab, Steiger musste sich ins Auto setzen und ein paarmal Gas geben. Dann schraubte er eine Zündkerze heraus und hielt sie Steiger vor die Nase.
»Sind ja ganz wunderbare Schätzchen«, sagte er. »Wie alt sind die denn? Zehn Jahre?«
»Muss man die etwa wechseln?«, fragte Steiger und wollte einen Scherz machen.
Der Schrauber sah ihn an, als habe er sich gerade für straffreien Sex mit Vorschulkindern
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