Splitter
Schatten lief wenige Meter hinter ihm.
Kurz vor der grauen Brandschutztür hielt er inne und gönnte seinem Daumen eine erste Ruhepause. Die Dunkelheit legte sich wie ein Mantel über ihn, als die Flamme erlosch. Er ließ das nutzlose Funkgerät auf den Boden gleiten, rieb wieder am Zündrad und schirmte das Feuerzeug mit dem Handballen ab, als die Flamme zu flackern begann.
Dann, obwohl sich alles in ihm dagegen sträubte, drückte er die schwere Betontür nach innen und betrat den Heizungskeller. Er erschrak so, dass er schreien musste.
47. Kapitel
»Scheiße, wer sind Sie ?«, fragte er, nachdem er sich so weit gefangen hatte, dass er zumindest nicht mehr wegrennen wollte. Die psychischen Tiefschläge der letzten Stunden hatten ihn so sehr sensibilisiert, dass er immer schreckhafter wurde - und immer länger brauchte, um sich wieder zu beruhigen.
Der Mann, der noch ängstlicher aussah, als Marc sich fühlte, lag in der Mitte des Raumes auf dem Drahtgestell eines Campingbetts, dem die Matratze fehlte.
»Gott sei Dank«, stöhnte er matt.
Er hob den Kopf. Etwas anderes konnte er nicht bewegen, denn Hände und Füße waren mit Handschellen an den Metallrahmen gefesselt. Die Flamme des Feuerzeugs wurde von einem Metallboiler links neben ihm reflektiert, und soweit Marc es in dem schwachen Schein erahnen konnte, trug der Mann Anzug und Krawatte, deren Knoten ihm bis unter das Kinn gerutscht war. Sein Alter war schwer zu schätzen. Große Menschen neigen dazu, älter auszusehen, als sie sind.
»Was zum Teufel ist hier los ?«, fragte Marc und trat einen Schritt näher.
»Wasser.«
Der Unbekannte rüttelte an seinen Fesseln. Seine blonden Haare standen wirr nach allen Seiten ab, er wirkte wie die fleischgewordene Parodie einer Comicfigur, die gerade einen Stromschlag bekommen hat.
»Bitte bringen Sie mir Wasser.« Beim letzten Wort versagte ihm die Stimme.
»Erst wenn ich weiß, was Sie hier verloren haben.« Der Geruch von Urin wehte zu ihm herüber, vermutlich hatte der Mann sich eingenässt. Entweder aus Angst oder weil er hier schon geraume Zeit gefangen gehalten wurde. Aber von wem?
Für einen Augenblick fragte Marc sich, ob er besser nach draußen gehen und Emma informieren sollte. Aber er wusste immer noch nicht, ob er ihr vertrauen konnte, und bezweifelte außerdem, dass sie in ihrem Zustand eine große Hilfe wäre.
»Wer sind Sie ?«, wiederholte Marc.
»Ich …« Der Mann machte eine Pause, in der er seine aufgesprungene Lippe mit der Zunge befeuchtete. »Ich bin hier, um Sie zu warnen.«
»Wovor?«
Der Gefesselte drehte den Kopf und sah in die andere Ecke des Raumes, die jetzt im Dunkeln lag. Früher hatte dort eine Wäschemangel gestanden.
»Vor dem Buch«, hauchte er leise.
»Was für ein Buch?«
Der Mann sah wieder zu ihm. Unbewusst wich Marc einen Schritt zurück.
»Mein Name ist Robert von Anselm«, sagte der Gefesselte nun, und seine Stimme klang auf einmal monoton, als sage er einen auswendig gelernten Text auf. »Ich bin der Anwalt Ihrer Frau.«
Blödsinn.
»Sie lügen.« Marc sprach so laut, dass die Flamme wieder wackelte. »Juristische Dinge habe ich immer selbst geregelt.«
»Nein, nein, nein. Sie hören mir nicht zu. Ich war nicht Ihr Anwalt, auch nicht der der Familie, sondern nur der Ihrer Frau.«
Das Bett knarrte, als der Kopf des Mannes zurück auf die Sprungfedern sank.
Sandras Anwalt? Wieso sollte sie ihre Angelegenheiten von einem Fremden regeln lassen?
»Kurz vor dem Unfall ist sie bei mir gewesen«, hörte Marc den Mann jetzt flüstern.
»Weshalb ?«
»Um ihr Testament zu ändern.«
Zu ändern? Bis jetzt hatte Marc noch nicht einmal gewusst, dass je eins existiert hatte.
»Ich vermute, es geschah auf Drängen ihres Vaters«, ergänzte der Gefesselte.
»Ich verstehe kein Wort. Was hat sie geändert? Und was hat Constantin damit zu tun?«
Jetzt sah der Anwalt wieder in die dunkle Ecke, schräg rechts von ihm. »Sie erinnern sich doch an das Drehbuch, für das ihre Frau den Auftrag bekommen hat?«
»Ja.«
Wir wollten es feiern. Am Tag des Unfalls.
»Wissen Sie, zu welchem Preis es Sandras Agentin an das amerikanische Produktionsstudio verkauft hat? »Nein.«
»Eins Komma zwei Millionen Dollar.« Marc lachte ungläubig. »Sie lügen.«
»Was macht Sie so sicher?« Der Anwalt hustete. »So viel bezahlt man nicht für ein Kinodebüt. Außerdem hätte mir Sandra davon erzählt. Wir hatten keine Geheimnisse.«
»Ach ja? Haben Sie das Buch denn je
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