Splitternest
Menschen, wie viele Nebelkinder?« Der Rauch trug seine Stimme zu den Goldéi hinüber. »Hier steht ihr am Brennenden Berg, um die Quelle zu befreien. Aber das Auge der Glut dient mir – aus freiem Willen.« Er ging mit schwankenden Schritten auf sie zu. »Ihr spürt meine Macht. Ich stehe vor euch, und ich sehe ein Volk, das verloren ist, seit es den Pakt mit den Menschen gebrochen hat!«
Ein Raunen ging durch die Reihen der Nebelkinder. Einige drängten voran, um Nhordukael anzugreifen. Doch Sazeeme gebot ihnen Einhalt.
»Ein Auserkorener.« Seine Stimme klang heiser. »Nicht der, den wir riefen. Nicht der, den die Menschen sich ersehnten. Trägst das Mal der Feuerschänderin, überall auf deinem Leib. Bist ihr Diener, und ein Diener des Blenders.«
»Die Feuerschänderin …« Nhordukael hatte sich ihm bis auf zehn Schritt genähert. Unter ihm kochte der Grund; die Steine zerschmolzen unter seinen Fußsohlen. Der stechende Schmerz raubte ihm fast die Sinne. »Ihr erinnert euch also an sie, an Kahida, das Mädchen von Athyr’Tyran. Mit ihr habt ihr einst einen Pakt geschlossen – und ihn dann gebrochen. Mondschlund hat es mir erzählt.«
»Der Blender lügt, hat immer gelogen.« Der Scaduif wich zurück, obwohl Nhordukael noch weit entfernt war. »Kannst uns nicht aufhalten. Werden die Quelle befreien!«
»Mondschlund log oft und viel. Aber in seinen Geschichten steckte ein Körnchen Wahrheit, wie in allen guten Lügen. Ich weiß alles über das Ende von Athyr’Tyran! Ich weiß, warum Kahidas Stadt zerstört wurde.« Nhordukael setzte den Stab ab. Der Boden erbebte. »Ihr habt den Pakt gebrochen, weil ihr uns Menschen vernichten wolltet – vom ersten Tag an! Als Mondschlund und Sternengänger in die Sphäre drangen und die Ewige Flamme nach Gharax trugen, hättet ihr sie aufhalten, ja sogar töten können. Aber ihr habt sie gewähren lassen. Und warum? Weil ihr einen Vorwand brauchtet, um den Pakt brechen zu können, um die anderen Völker der Sphäre aufzuhetzen. Ihr glaubtet, ein leichtes Spiel mit uns Menschen zu haben, wenn Kahida erst besiegt und Athyr’Tyran zerstört wäre. Aber ihr habt euch geirrt! Kahida riss den Schwarzen Schlüssel an sich und versiegelte die Tore. Ihr konntet nicht mehr nach Gharax gelangen, und die Ewige Flamme schwelte weiter, bis eure Welt zerstört war.«
Ein Stöhnen drang aus Sazeemes Maul. Er starrte auf den Stab in der Hand des Auserkorenen. »Der Schwarze Schlüssel! Trägst ihn bei dir! Bist gezeichnet vom Fluch der Sphäre. Willst für Mondschlund das verdorbene Athyr’Tyran wiederaufbauen …«
»Du hältst mich noch immer für seinen Diener? Mit diesem Stab habe ich Mondschlund vernichtet, seinen Geist aus der Sphäre verbannt. Ja, ich war sein Zögling, aber ich riss mich von ihm los. Doch ihr? Habt auch ihr erkannt, wer euch verführt und aufgestachelt hat?« Seine Worte wurden zur wütenden Anklage. »Wacht auf, Nebelkinder, wischt den Schleier beiseite! Wer hat die Tore der Sphäre aufgestoßen? Wer brachte euch nach Gharax und versprach, die Menschen von hier zu vertreiben?«
»Drafur! Drafur war es … er kam und befreite uns. Holte uns aus der sterbenden Welt. Führte uns nach Gharax, ehe wir alle zu Gehäuteten wurden. War unser Retter. Unser Beschützer …«
»Nein, er war euer Verderber! Denn er ist kein Geringerer als Sternengänger! Ihr wisst es, ihr könnt es in der Sphäre erkennen, wenn ihr es wagt! Er, der vorgab, euch retten zu wollen, hat eure Welt vernichtet! Er, der euch Gharax schenken will, lehrte einst die Menschen, die Quellen zu knechten. Ihre Magie, die unsere Welt bewohnbar machte, stammt von der euren. Nun führt er euch nach Gharax, um euch wieder zu Sklaven zu machen. Und auch wenn er behauptet, es aus Güte zu tun, wird er euch doch ein zweites Mal betrügen, so wie uns Menschen!«
Rauchschwaden tanzten über seinem Haupt und sanken auf die Nebelkinder herab. Sie blickten ihn an mit schwarzschillernden Augen, ungläubig, reglos.
»Drafur!« Sazeeme wisperte das Wort. Die Nebelkinder griffen es auf, trugen es weiter, bis das ganze Heer es murmelte. »Drafur … nein, kann nicht sein. Nicht Drafur. Hat uns nie belogen. Hat versprochen, dass nie wieder ein zweites Athyr’Tyran entsteht.«
»Mit der Angst vor dieser Stadt hat er euch auf seine Seite gezogen! Ihr wart verzweifelt und wusstet euch dem Untergang nah. So habt ihr Sternengänger geglaubt. Ihr ahntet, dass er es war, der aus der Sphäre zu euch sprach, der euch
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