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Sprachlügen: Unworte und Neusprech von »Atomruine« bis »zeitnah« (German Edition)

Sprachlügen: Unworte und Neusprech von »Atomruine« bis »zeitnah« (German Edition)

Titel: Sprachlügen: Unworte und Neusprech von »Atomruine« bis »zeitnah« (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Biermann , Martin Haase
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ist radikal , wenn damit Menschen bezeichnet werden, die aus Fremdenfeindlichkeit morden.

Raketenabwehrschild
    Nicht nur Pippi Langstrumpf und Parlamentarier erzählen allerhand Lügen, Militärs sind darin auch ganz prima. Denn ihre Spielzeuge sind ziemlich teuer, da macht es sich selbstverständlich besser, wenn sie als Gegenleistung ganz viel können. Dieses Spielzeug hier ist wahnsinnig teuer. Dafür prallen an ihm aber auch ganz große und schnelle und schlimme Raketen ab. Das behauptet zumindest der Ausdruck »Schild« im Namen. Der ist natürlich eine Metapher, zumindest im besten Fall. Eigentlich aber ist er eine Lüge. Denn die Sicherheit, die der Begriff verspricht, die gibt es nicht. Der angebliche Schild besteht aus Raketen, die irgendwo im Weltraum andere Raketen abschießen sollen, und das ist genauso schwierig, wie es klingt. In der Verstärkung »Abwehrschild« wird dieses Versprechen sogar gleich zwei Mal gegeben – ein deutlicher Hinweis darauf, dass nicht einmal die Erfinder daran glauben: Ein Schild schließlich dient immer der Abwehr, eines von beiden Kompositionsgliedern ist also überflüssig. Nun ließe sich einwenden, der Raketenabwehrschild sei lediglich eine stümperhafte Übersetzung. Aber im amerikanischen Original machen sie es auch nicht viel besser. Dort heißt der Quatsch National Missile Defense , ist also eine Verteidigung gegen, beziehungsweise eine Abwehr von Raketen. Wer’s glaubt! Und lustig ist es auch, besteht das System selbst doch aus? Richtig: aus vielen Raketen.

Raubkopie
    Um im Wortsinn korrekt zu sein, müsste sich das Erstellen einer Raubkopie beispielsweise auf einer schlecht beleuchteten Straße abspielen und der Räuber seinem Opfer, also einem Mitarbeiter der Musikindustrie, mindestens eine Waffe an den Kopf halten. Denn merke, das Merkmal des Raubes ist laut Strafgesetzbuch die Gewalt gegen eine Person oder wenigstens doch die Androhung derselben. Daher entspricht die Beschlagnahme etwaig illegal kopierter Datenträger durch Ordnungsorgane des Staates viel eher den juristischen Anforderungen des Raubes (wenn sie denn nicht gesetzlich legitimiert und damit rechtens wäre) als die Anfertigung solcher digitalen Kopien von Texten, Bildern oder Tönen. Und da wir schon dabei sind, eine Kopie ist eine Kopie ist eine Kopie. Das Herstellen einer solchen gilt juristisch nicht einmal als Diebstahl und ist in kleiner Menge völlig legal. Sie gar eine Raubkopie zu nennen, ist ein Oxymoron, also ein Widerspruch in sich, denn kopieren passt nicht zu rauben. Aber die Raubkopie soll ja auch gar nicht juristisch korrekt sein, sie ist ein Propagandawort der Contentindustrie ( →   Content ), um die Tat sehr viel übler klingen zu lassen, als sie rechtlich ist, und jene zu diskreditieren, die die nun einmal vorhandenen technischen Möglichkeiten nutzen. Wenn jene, die so gern vom Internet als →   rechtsfreiem Raum reden, rechtliche Begriffe so missbrauchen, müssen sie sich nicht wundern, wenn ihnen niemand mehr zuhört.

Raum, rechtsfreier
    Synonym für das Internet, das gern von jenen bemüht wird, die mehr Überwachung desselben fordern. Suggeriert Rechtlosigkeit und Chaos und die Notwendigkeit, neue Gesetze für das Internet zu schaffen. Unterstellt, dass das Internet durch bestehende Gesetze nicht regulierbar ist. Allerdings sind erstens hierzulande erlassene Gesetze stets für das ganze Land verpflichtend, Ausnahmen sind nicht vorgesehen. Und das Internet ist zweitens juristisch kein exterritoriales Gebiet. Somit gelten gültige Gesetze auch für das Netz, zumindest solange seine Infrastruktur sich hier befindet. Rechtsfrei ist der rechtsfreie Raum somit auf keinen Fall und die entsprechende Behauptung falsch. Der rechtsfreie Raum ist lediglich nicht so überwacht, wie er aufgrund seiner Möglichkeiten sein könnte. Technisch wäre es kein Problem, sämtliche Daten und sämtliche Kommunikation darin zu beobachten und zu speichern. Rechtlich jedoch ist das verboten. Das Grundgesetz kennt gleich mehrere Grundrechte, die vor solcher Überwachung schützen sollen, wie das auf Privatsphäre, auf Datenschutz, auf Informationelle Selbstbestimmung und auf die Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. Diejenigen, die den Ausdruck rechtsfreier Raum verwenden, beweisen damit vor allem, dass eine klassische Befürchtung des Datenschutzes berechtigt ist: Wo Daten sind, wird es jemanden geben, der sie sammeln und auswerten will, auch wenn

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