Spring in den Himmel
ärgerst dich, Signore Gelato!«
Lachend zog Yoyo ab, mit ihren drei Waffeln, die sie mit beiden Händen festhielt. Abwechselnd leckte sie von dem einen, dem zweiten und dem dritten Eis.
Jamina packte ihr Buch ein und folgte Yoyo in einiger Entfernung. Sie kam sich vor wie in einem schlechten Film. Wann lief man schon mal im wirklichen Leben hinter einem anderen Menschen her, um ihn zu beobachten?
Yoyo verließ den Englischen Garten und ging über die Ampel ins Lehel hinein. Jamina verfolgte sie, hielt aber gebührend Abstand. Was war, wenn sie Yoyo verlor? Oder wenn Yoyo sie bemerkte? Aber die ging völlig entspannt und nicht gerade schnell durch den noblen Stadtteil und warf die drei Waffeln in einen Papierkorb. Jamina runzelte missbilligend die Stirn. Hatte Yoyo nicht gesagt, dass sie die Waffeln am liebsten mochte, noch viel mehr als das Eis? Aber was ging es sie an? Sie hatte so viele Fragen – was spielte es da für eine Rolle, dass Yoyo Waffeln gar nicht mochte, obwohl sie es behauptet hatte?
Jamina versteckte sich kurz in einer Einfahrt, weil sich Yoyo überraschend mit einem Autofahrer anlegte, der auf dem Gehsteig parken wollte.
»Rück ab mit deiner Karre, sonst stech ich dir die Reifen auf.«
Ja, sie sah nun mädchenhafter und freundlicher aus, mit den hellen Haaren und dem bunten Kleid, aber sonst war sie unverändert.
Jetzt schien sie angekommen. Ein wunderschönes gelb-weißes Haus an einer Straßenecke. Stuckfassade, offenbar frisch renoviert. Balkone, auf denen sich Pflanzen rankten. Jamina betrachtete fasziniert das Haus und vergaß kurz, warum sie hier war.
Gerade noch erwischte sie den Moment, in welchem Yoyo verschwand. Hatte sie selbst aufgesperrt oder geklingelt und war ihr aufgemacht worden? Jamina war wütend auf sich. Was nützte es, wenn sie auf Yoyo wartete, wenn sie Stunden und Tage damit verbrachte – und dann, im entscheidenden Moment, war sie abgelenkt. Es war wichtig zu wissen, wie sie ins Haus gekommen war! Denn wenn sie geklingelt hatte, dann wollte sie wohl jemanden besuchen. Hatte sie aber einen Schlüssel … dann würde das wohl Yoyos Zuhause sein.
Noch einmal sah Jamina die Fassade hoch. Die herrschaftlichen Fenster, wahrscheinlich lagen dahinter große und helle Räume mit leise knarrendem Parkett, antiken Möbeln, geschmackvollem Geschirr. Viel Platz …
Wenigstens das war offenbar wahr. Yoyo hatte einen reichen Vater. Denn wer hier wohnte, der lebte nicht von dem, was er im Pflegeheim verdiente.
Jamina kam näher und sah auf die Klingelschilder. Im Erdgeschoss war eine Kanzlei: Broderkampp und Mannhardt, Anwälte. Im ersten Stock wohnte offenbar Familie Broderkampp. Im zweiten standen zwei Namen. Jensen und Horchmann. Auch im dritten Stock zwei Namen: Dr. Klinger und Ahrens.
Was nun? Wie sollte sie herausfinden, wohin Yoyo verschwunden war?
Jamina nahm ihren ganzen Mut zusammen. Okay, die Anwaltskanzlei konnte sie sich wahrscheinlich sparen. Was sollte Yoyo dort tun? Selbst wenn sie was Größeres ausgefressen hatte und einen Anwalt brauchte, sie würde sich wohl kaum an einen Fachanwalt für Steuerrecht wenden.
Sie versuchte es mit der obersten Klingel. Niemand meldete sich. Auch aus dem zweiten Stock kam keine Reaktion. Klar, die Leute waren wohl noch in der Arbeit. Jetzt noch bei Broderkampp im ersten Stock.
»Hallo?«
Jamina blieb fast das Herz stehen.
»Hallo, ist da wer?«
Es war eindeutig ihre Stimme.
Jamina wusste nicht, was sie tun sollte. Sich zu erkennen geben? Einfach davonlaufen?
»Ein Einschreiben«, sagte sie mit verstellter Stimme. »Für Broderkampp.«
Noch bis vor drei Sekunden hatte sie nicht gewusst, dass sie so gut lügen konnte.
»Klingeln Sie in der Kanzlei.«
Ein Klacken – und die Gegensprechanlage war aus.
Jamina lehnte sich mit dem Kopf gegen die Tür und atmete tief durch.
Von wegen Heidenbach. Von wegen Banker. Nur das mit dem Geld, das schien richtig zu sein.
Jamina überlegte. Sollte sie noch einmal klingeln, Yoyo per Gegensprechanlage zur Rede stellen? Versuchen, über eine List ins Haus zu kommen, an die Tür donnern, bis sie aufmachte? Hier warten, bis sie wiederherauskam? Wer wusste, ob sie heute noch einmal das Haus verließ. Sie beschloss, sich erst einmal irgendwo in ein Café zu setzen und nachzudenken. Sie wusste nun etwas mehr über Yoyo, aber half ihr das wirklich weiter?
Ihr Handy brummte. Eine SMS von Merlin.
Hast du jetzt Zeit auf einen Kaffee? Ich bin gerade in der Nähe der Uni.
Jamina überlegte
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