St. Leger 03 - Die Nacht der Feuerfrau
nur Ruhe. Viel Ruhe. Sie betastete seine Stirn und freute sich, dass sie nicht mehr glühte. Dann fühlte sie seinen Puls ... und fand keinen. In ihrer Sorge legte sie noch einmal die Hand auf seine Stirn. Vals Haut war noch weiter abgekühlt! Keine Panik, sagte sie sich, so etwas hatte Val schon einmal gemacht, damals, als ihm die Pistolenkugel im Rücken steckte.
Der Arzt hatte sich selbst in eine todesähnliche Erstarrung versetzt, in der er sich nicht regte und kaum noch atmete. Auf diese geheimnisvolle Weise war er in der Lage, sich selbst zu heilen.
Kate erhob sich, um Madeline St. Leger Bescheid zu geben - und wäre beinahe in ein Gespenst hineingerannt. Erst als ihr Herz wieder langsamer schlug, konnte sie sich über sein Erscheinen freuen. »Dem Himmel sei Dank, Ihr seid gekommen.« »Ich fürchte, der Himmel hat damit wenig zu tun. Vielmehr scheint Ihr, mein Fräulein, es darauf abgesehen zu haben, mir keine ruhige Minute zu gönnen.« Doch dazu lächelte der Vorfahr und schwebte dann zu dem Liegenden auf dem Bett.
»Das ist Val. Er ist sehr krank«, erklärte Kate ihm, als ob er keine Augen im Kopf hätte.
»Er liegt im Sterben, meine Liebe«, verbesserte er sie leise.
»Nein!«
»Leider vermag ich vorauszusehen, wenn ein St. Leger von dieser Erde geht. Ein dunkles Gefühl der Leere, das mich mit unwiderstehlicher Macht zur Burg zurückzieht.«
»Aber Ihr wisst nicht, wie stark Val ist. Er hat sich schon einmal in eine solche Starre versetzt, um sich selbst zu heilen.«
»Kate, es tut mir sehr Leid, aber diesmal will er sterben.« »Um die zu schützen, die er liebt«, ging es der jungen Frau durch den Kopf. »Verdammter Kerl.« Sie beugte sich über ihn. »Das darfst du nicht tun!«
Aber ihre Bemühungen fruchteten nichts, und sie wandte sich an Prospero: »Holt Ihr ihn aus seiner Trance!« Der Geist sah seinen Nachfahren durchdringend an, und Kate wartete mit angehaltenem Atem. Bis er schließlich den Kopf schüttelte: »Es geht nicht. Val besitzt einen so eisenharten Willen, dass nicht einmal ich ihn durchdringen kann.«
»Was könnt Ihr denn dann überhaupt?«, explodierte die junge Frau. »Genau wie neulich Nacht. Ihr und Eure beeindruckenden Zauber! Pah, fauler Zauber! Nichts steckte dahinter! Ihr habt überhaupt keinen Zauber aufgehoben!«
»Weil Ihr vorher keinen bewirkt hattet, den man aufheben konnte.«
»Weil der ja auch von Euch und Eurem verdammten Kristall stammte!«
In ihrer Wut rannte sie zu Lances' Truhe, holte den Splitter heraus und warf ihn dem Gespenst zu. »Das vermisste Teil«, murmelte Prospero überrascht.
»Ich habe Lance schon vor Jahren gewarnt, er möge ihn zurückholen, sonst drohe großes Unheil.« »Und genau so ist es ja auch gekommen ...«, sagte Kate und seufzte. Nun berichtete sie dem Zaubermeister alles, was sie in Erfahrung gebracht hatte, zumindest das, was sie verstand.
»Rafe Mortmains schwarze Seele übertrug sich also auf Val«, überlegte Prospero laut. »Ich hatte so eine Vorahnung. Aber ich konnte nicht genau erkennen, welche Gefahr uns drohte. Daran sind nur die Kristallteile schuld. Sie haben immer schon mein Urteilsvermögen beeinträchtigt.«
»Warum habt Ihr überhaupt einen so teuflischen Stein entwickelt?«, wollte Kate wissen.
»Weil es mir um Macht und Unsterblichkeit ging. Was für ein Narr ich doch gewesen bin. Ich musste einen sehr teuren Preis für meinen Hochmut bezahlen.« »Und jetzt bezahlt auch noch Val dafür.« »Nicht unbedingt. Wenn ich die Ursache erkannt habe, kann man ihn noch retten. Offenbar wirkt dieser Splitter wie eine Lupe. Zuerst verstärkt er die guten Kräfte, sodass Valentine plötzlich sein kaputtes Bein wieder bewegen konnte. Aber insgeheim verstärkt der Splitter auch die dunklen Eigenschaften, die einem innewohnen. Und Val hat einen zusätzlichen Schub erhalten, indem er Rafes schwarze Energien in sich aufsaugte - die durch den Kristall um das Zehnfache verstärkt wurden. Und damit hätten wir auch schon die Lösung. Mortmain muss herbeigeschafft werden, damit der Prozess rückgängig gemacht werden kann.«
»Gut. Ich suche und finde den Mann. Und ich schleife ihn, wenn nötig, an den Haaren hierher!«
»Kate, du verstehst offensichtlich nicht. Das alles hat nur Aussicht auf Erfolg, wenn Rafe sich freiwillig bereit erklärt, den Splitter wieder anzulegen.«
Kate sprang die Stufen zur Bibliothek hinunter, und traf dort jedoch nicht wie gewohnt Val an, sondern Victor St. Leger. Er lag halb in dem Sessel
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