St. Leger 03 - Die Nacht der Feuerfrau
Nachbarn schaute.
Auf dem Dorfanger hatte man Freudenfeuer entzündet, und die Silhouetten von Tänzern hüpften im Takt zu den Fiedeln vor den Flammen auf und ab. Die Musik, der Lärm und das Lachen drangen selbst durch die dicken Mauern der Schänke.
»Was für eine Bande von abergläubischen Trotteln«, murmelte Reeve und wandte sich wieder seinem Krug zu. Er schien der einzige Mann in ganz Torrecombe mit genug Grips im Kopf zu sein, diesem Halloween-Schwachsinn keinerlei Beachtung zu schenken. Na gut, mit Ausnahme vielleicht noch von dem jungen Burschen, der sich in der dunkelsten Ecke auf der Bank lümmelte und düster in sein Whiskey-Glas starrte. Trewithan dachte säuerlich, dass dieser Jüngling zu denjenigen gehörte, die alle Mädchen im Dorf verrückt machten. Er hatte die schweren, sinnlichen und melancholischen Lippen, bei denen alle jungen Hühner den Verstand verloren. Sein schwarzes Haar tat ein Übriges, und seine dunklen Augen wiesen dichte schwarze Wimpern auf, um die ihn jede Frau beneidet hätte.
Die Hakennase, wenn schon nicht die elegante Kleidung, wies ihn eindeutig als St. Leger aus. Reeve fluchte leise. Er konnte sich nicht an den Namen dieses Jünglings erinnern. Jedenfalls keiner von der Burg. Vermutlich ein entfernter Vetter.
Aber was interessierte ihn das schon. Mochte ganz Torrecombe diese Familie mit ihrer eigentümlichen Art und ihren geheimnisvollen Wegen auch verehren, Reeve konnte sie allesamt nicht leiden. Vor allem diesen Arzt, Dr. Valentine St. Leger, nicht. Aufdringlicher Mistkerl. Wollte ihm Vorschriften darüber machen, wie er seine Frau zu behandeln habe. Drohte sogar damit, dass Carries nächstes Kind sie das Leben kosten würde. Und hetzte seine Frau auch noch gegen ihn auf, sie solle sich vor ihren ehelichen Pflichten drücken!
Der Arzt lebte ja wie ein Mönch, da konnte er leicht solche Ratschläge geben. Aber Reeve war ein richtiger Mann, und als solcher hatte er Bedürfnisse. Er nahm einen zu tiefen Schluck und hätte fast den Krug geleert. Gerade noch rechtzeitig konnte er ihn wieder absetzen. Dabei fiel ihm auf, dass der Wirt ihn mit seinen schwarzen Schweinsäuglein fixierte. Mr. Wentworth würde ihn bestimmt zur Tür hinausbefördern, sobald er den letzten Tropfen getrunken hatte.
Jetzt näherte sich der Mann lässig Reeves Tisch. In seiner gestreiften Seidenweste und den glänzenden Lederstiefeln wirkte er eher wie ein Kaufmann als wie ein Schankwirt vom Lande.
»Nun, Mr. Trewithan, ich hoffe, das Bier war zu Eurer Zufriedenheit«, sagte Wentworth. »Ich habe doch dafür bezahlt, oder etwa nicht?« Der Wirt legte seine gepflegten Hände auf die Lehne eines Stuhls, der ganz in der Nähe stand, und ließ sich von Reeves sauertöpfischer Miene nicht beeindrucken. »Eine wirkliche Überraschung, Euch heute Abend hier zu sehen. Man sollte doch meinen, Ihr hättet Euch den anderen da draußen angeschlossen, um mit ihnen zu feiern und Spaß zu haben.«
»Wenn man das Spaß nennt, wenn man albern herumhüpft und sich dabei am Feuer den Arsch ansengt.« Wentworth lächelte und nickte in Richtung des finsteren Jünglings in der dunklen Ecke. »Offenbar teilt der junge Herr dort Eure Ansichten.«
»Zum Teufel mit ihm.« Reeve warf ihm einen verächtlichen Blick zu. »Nur ein dummer Bengel. Seht nur, wie er in sein Glas starrt. Wer ist das überhaupt, zum Donnerwetter?«
»Sir Victor St. Leger, der Enkel des verstorbenen Captains Hadrian St. Leger.«
»Ach ja, an die alte Saufnase kann ich mich noch erinnern. Man sollte meinen, er hätte seinem Enkel beigebracht, dass Whiskey zum Trinken da ist und nicht nur zum Anschauen.« »Ich glaube, Master Victor versucht nur, seinen ganzen Mut zusammenzunehmen.«
»Wofür denn? Seinen Whiskey zu trinken?«, höhnte Trewithan.
»Nein, für die Hochzeit. Bekommt Ihr denn gar nichts vom Klatsch und Tratsch im Dorf mit? Miss Effie Fitzleger, die Brautsucherin, hat dem jungen Herrn Mol-lie Grey gefunden. Master Victor soll ihr heute Abend den Antrag machen. Aber wenn man ihn so sieht, könnte man meinen, Miss Effies Wahl begeistere ihn nicht nachdrücklich.«
»Da kann ich ihn gut verstehen. Miss Mollie ist eine dürre Bohnenstange und an der Brust platt wie eine Flunder.«
»Ein großer Busen ist aber nicht alles, worauf man bei der Brautsuche Ausschau halten sollte«, entgegnete Mr. Wentworth.
Nein, stimmte Reeve in Gedanken zu, auch Durchhaltevermögen spielte eine Rolle. Dann zuckte er die Schultern. Dieser ganze Mist
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