St. Leger 03 - Die Nacht der Feuerfrau
geduldiger Unterricht und seine liebe zu den Büchern hatte ihr die Augen für ferne und vergangene Orte und Zeiten geöffnet.
»Mir macht es Spaß, alles über die Pyramiden, die Pharaonen und die Hirtoklüfen -« »Hieroglyphen«, verbesserte er sie damals sanft. »Ja, genau. Es kommt mir vor, als würden wir eine ganz besondere Sprache lernen, die nur wir beide verstehen können ... als würdest du mir genug vertrauen, um ein Riesengeheimnis mit mir zu teilen.« »Aber ich vertraue dir doch grenzenlos, Kate.« Diese Worte hatten sie gewärmt, sie, die man von frühesten Zeiten an immer nur als Diebin und Lügnerin beschimpft hatte ...
Ja, der Arzt vertraut dir. Er hält dich für seine wahre und vollkommen vertrauenswürdige Freundin - die seine Familie und ihre Traditionen achtet und ehrt... die nie etwas tun würde, was ihm schaden könnte!
Kate zuckte unter der unerwarteten Attacke ihres schlechten Gewissens zusammen.
»Aber ich will ihm doch gar nicht schaden«, rechtfertigte sie sich vor sich selbst. Was sollte denn an dem, was sie hier vorhatte, so schlimm sein. Die anderen Mädchen im Dorf setzten doch auch Liebeszauber ein, um ihren Auserwählten zu bekommen.
Was bist du doch für eine ausgemachte Lügnerin, Kate Fitzleger!
Ja, leider. Was sie hier tat, unterschied sich sehr von dem oft albernen Aberglauben der jungen Frauen im Dorf. Letztere wandten harmlose Mittelchen an, zum Beispiel, sich Salz über die Schulter werfen, während Kate sich auf die schwärzeste Magie einließ. Sie wollte Kräfte heraufbeschwören, die sich leicht als zu stark für sie erweisen könnten.
Wie leicht könnte etwas schief gehen?
Kate blickte in die tanzenden Flammen und glaubte für einen Moment, darin seine dunklen Augen zu erkennen, die sie anstarrten ... und auch noch seine Stimme zu vernehmen:
Weil es stets große Gefahren in sich birgt, in Herzensangelegenheiten Magie einzusetzen.
Kate schrie auf und fiel auf den Hintern. Sie starrte vorsichtig noch einmal in die Flammen, bis sie sich ausreichend davon überzeugt hatte, dass sie nicht mehr als ein herunterfallendes Scheit gesehen hatte. Und was sie für Prosperos Stimme gehalten hatte, war nicht mehr als das Zischen und Prasseln des Feuers gewesen. Doch dieser Satz ließ ihr keine Ruhe. Was hatte der Zauberer mit seinen Worten gemeint? Was sollte denn schon gefährlich daran sein, einen Liebeszauber zu weben? Zu dumm, dass sie neulich nicht nachgefragt hatte. Sie könnte das Unternehmen immer noch abblasen, das Feuer löschen und ins Dorf zurückschleichen. Vielleicht sogar zu Vals Cottage laufen und ihn bitten, sie einzulassen. Wenn sie wie ein verlorenes Kätzchen vor ihn trat, das Schutz vor einem nahenden Sturm suchte, würde er ihr sofort die Tür öffnen und sie nicht mit Fragen überschütten, sondern sie einfach in seine starken Arme nehmen, ihren Kopf an seine Brust drücken und sie endlos lange festhalten...
NEIN!, ermahnte Kate sich streng. Dazu würde es ganz gewiss nicht kommen. So wie sie sich ihm neulich an den Hals geworfen hatte, würde er sich hüten, sie auch nur zu berühren. Freundlich, aber bestimmt würde er Kate auffordern, doch besser zu Effie zu gehen. Wenn sie nicht den Mut aufbrachte, diesen Zauber heute Nacht zu beschwören, würde sie nie wieder Vals starke Arme um sich spüren.
Sie nahm das Buch in beide Hände und stellte sich wie eine Priesterin aus längst vergangenen Zeiten vor den stehenden Stein.
Ein dumpfes Grollen erfüllte die Nacht, so als wolle der Himmel selbst sie warnen. Kate blickte ängstlich hinauf zum Firmament und sah einen Blitz, der in deutlicher Entfernung den Himmel spaltete. Nur ein Gewitter, das heraufzog.
Die junge Frau konnte wieder ruhiger atmen. Sie musste sich aber beeilen, sonst würde der Regen ihr Feuer löschen.
»Ach, Val, verzeih mir bitte, was ich jetzt tue. Aber du lässt mir keine andere Wahl.«
Kate atmete tief durch und öffnete das alte Zauberbuch.
Der Schankraum im »Drachenfeuer«, in dem es für gewöhnlich laut zuging, lag heute Abend vollkommen verlassen da. Nur Reeve Trewithan hockte wie üblich an dem abgenutzten Eichentisch und nippte an dem letzten Bier, das er sich für heute leisten konnte. Schaumflocken hingen ihm im grauen Kinnbart, und er hatte sich das strähnige Haar aus der Stirn geschoben.
Sein einst straffer Körper drohte vorzeitig zu verweichlichen. Sein vorgewölbter Buch stieß gegen die Tischkante, als er zum Fenster hinaus auf das närrische Treiben seiner
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