St. Leger 03 - Die Nacht der Feuerfrau
Letzte, was er erübrigen konnte. Nicht, wenn er Valentine St. Leger nahe gekommen war und endlich seine Rache nehmen konnte. »Trotzdem danke für Eure Großzügigkeit«, fuhr die Witwe fort. Warum konnte sie nicht endlich den Mund halten und sich verziehen?
»Wir müssen auch noch den Hof verkaufen, um die Schulden meines Mannes zu begleichen«, erklärte sie jetzt, als ob sie glaubte, so etwas würde »Mr. Moore« auch nur im
Mindesten interessieren. »Mein armer George war niemals ein guter Bauer. Er ist lieber zur See gefahren, wie Ihr.«
»Woher, zum Teufel, wisst Ihr das?«, knurrte Rafe und durchbohrte sie mit seinem Blick. Hatte sie trotz des zotteligen Haars und des ungepflegten Barts den berüchtigten Captain Mortmain in ihm wiedererkannt? Er ballte die Hände zu Fäusten, um sich notfalls sofort auf sie zu stürzen.
Sein Ausbruch schien sie zu verwirren, aber sie antwortete ganz ruhig: »Nun, das sieht man an Eurem Gang. Ihr bewegt Euch, als hättet Ihr den Großteil Eures Lebens Schiffsplanken unter Euren Füßen gehabt. Aber verzeiht bitte, ich wollte Euch nicht zu nahe treten.« Mortmain atmete tief aus und zwang sich dazu, sich zu entspannen. Er musste dringend von hier weg, sonst würde er noch explodieren.
»Ich habe es eilig«, murmelte er und griff nach den Zügeln.
»Kann ich Euch nicht vielleicht zum Abendbrot überreden?«
Hatte diese Frau vollkommen den Verstand verloren? Ahnte sie denn überhaupt nichts von der Gefahr, in der sie sich noch vor einem Moment befanden hatte? »Seid Ihr immer so?« »Wie denn?«
»So vertrauensselig zu jedem Fremden, der des Wegs gezogen kommt?«
Sie errötete unter seinem Spott, antwortete aber ruhig: »Nein, eigentlich nicht. Üblicherweise lege ich mehr Vorsicht an den Tag.«
»Und warum gebt Ihr dann um meinetwegen alle Vorsicht auf? Doch nicht etwa wegen meiner schönen Nase, oder?«
»Ich ... ich weiß auch nicht«, stotterte sie. »Vielleicht liegt es ja an Euren Augen. Ihr seht aus wie ein Mann, der ... der ganz dringend möchte, dass man ihm vertraut.« So einen blühenden Unsinn hatte Rafe noch nie gehört. Diese Witwe war entweder vollkommen und unrettbar verblödet oder sie gehörte zu den Frauen, die unbedingt das Gefallen eines jeden Mannes erringen wollen, und mochte es auch ein zerlumpter Kerl sein. Höchste Zeit, von hier wegzukommen. Er zog Rufus am Zügel und führte in zum Ausgang. Doch da packte ihn ein neuer Hustenanfall, diesmal so schlimm, dass er in die Knie ging, sich die Hände auf die Brust presste und vor lauter Würgen kaum noch atmen konnte.
Während er sich schüttelte, legte sich eine ebenso sanfte wie starke Hand auf seine Schulter. »Mr. Moore, Euch geht es wirklich nicht gut«, befand die Witwe. »Ihr solltet heute noch ruhen und erst morgen weiterziehen. Ich könnte Euch in der Vorratskammer ein Nachtlager bereiten.«
Er schüttelte ihre Hand ab und rappelte sich wieder auf. Für einen Moment schloss er die Augen, zwang die Schmerzen fort und stand völlig erschöpft da. Rafe würde es nie schaffen, hart und schnell zu reiten. Selbst wenn er jetzt aufbräche, würde er frühestens morgen Abend um die gleiche Zeit vor Castle Leger eintreffen ... Doch ihm blieb keine andere Wahl. Die Zeit zerrann ihm zwischen den Fingern.
»Meine Geschäfte dulden keinen Aufschub«, entgegnete Rafe zwischen zusammengebissenen Zähnen. »Ich muss los.«
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Als er ermattet versuchte, den Fuß in den Steigbügel zu setzen, baute die Frau sich neben ihm auf, so als erwarte sie, dass er der Länge nach hinfallen würde. Und irgendwie rechnete er auch damit.
Doch er saß nach einer Weile schnaufend und keuchend im Sattel. Schwindelgefühle befielen ihn, und als seine Augen wieder deutlich zu sehen vermochten, bemerkte er als Erstes die Witwe, die besorgt zu ihm heraufstarrte. »Sir, ich weiß nicht, was das für Geschäfte sind, die keinerlei Aufschub dulden, aber ich wünschte, Ihr würdet Euch das noch einmal überlegen.«
Ihre Blicke trafen sich. Trotz ihrer ehrlichen Miene hatte Rafe auch wieder das unangenehme Gefühl, sie könne ihm bis auf den Grund seines Herzens schauen. Doch was immer sie dort auch entdecken mochte, sie bemitleidete ihn.
Mit erheblicher Anstrengung richtete Mortmain sich auf und straffte die Schultern. Er brauchte kein Mitleid, von niemandem.
Mit festem Druck seiner Knie trieb er den Wallach an, beachtete Corrines Abschiedsgruß nicht weiter und galoppierte in die Nacht hinaus.
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