deutlich höher als am Tage – und die Sexrate vermutlich auch! Sie war der Ansicht, dass der Mond eine Art Zwitter war. Wie Dr. Jekyll und Mr. Hide. Er verstärkte die Liebe und den Hass. Eigentlich zwei gegensätzliche Dinge, die sich aber doch irgendwie bedingen. Was war meine Großmutter doch für eine kluge Frau!
Gut, dass Nico geistesgegenwärtig das Rührei vom Herd gezogen hatte, denn sonst hätten unsere Nachbarn sicherlich die Feuerwehr verständigen müssen. Es war bereits nach zwei Uhr, als wir endlich dazu kamen, etwas zu essen. Wie zwei ausgehungerte Löwen fielen wir über das eiskalte Rührei her.
„Was sagt denn Annemarie dazu, dass du gar nicht nach Hause kommst?“, fragte ich, ohne nachzudenken.
Nico stockte. Offenbar hatte er seine neue Freundin total vergessen. Er sprang auf und lief in den Flur. Mist! Na, super Marten! Das haste ja fein hingekriegt. Hättest du bloß deine Klappe gehalten.
Zwei Minuten später kam er wieder herein und grinste. „Ich habe ihr gesagt, dass es gestern zu spät war, ich zu viel Wein getrunken hatte und nicht mehr fahren konnte, um noch nach Hause zu kommen. Gar kein Problem, hat sie gesagt. Sie ist echt so verständnisvoll. Eine tolle Frau!“ Nico setzte sich und leerte seinen Teller.
Mir war der Appetit vergangen. Ich brachte unsere Teller in die Küche und atmete tief durch. Und nun?
Nico war mir gefolgt und stand plötzlich hinter mir. Er stellte sich an meine Schulter und lehnte sich zärtlich dagegen. „Sehen wir uns wieder?“
Sollte das ein Scherz sein? Nee, das meinte er ernst, stellte ich mit einem kurzen Seitenblick fest. „Machst du Witze? Ich kann ohne dich gar nicht leben. Du bist mein Salz in der Suppe, mein …“, Gott, mir fiel kein weiterer Vergleich ein, „mein I-Punkt auf dem I.“ Ich grinste.
Nico zwinkerte mir lächelnd zu und löste sich. Schweren Herzens brachte ich ihn hinaus, küsste ihn noch einmal leidenschaftlich und schloss dann die Tür hinter ihm.
* * *
Ich hörte eine ganze Woche lang nichts von Nico. Da ich nach der wundervollen Nacht mit ihm auch keine Lust hatte, mit Chris in der Umkleidekabine zu verschwinden, bin ich einfach nicht zum Sport gegangen. Am Montagnachmittag kam ich von einem echt anstrengenden Tag im Gericht nach Hause. Mein Anrufbeantworter blinkte und ich drückte auf den roten Knopf.
„Hi, Marten! Hier ist Nico. Äh … ich habe dir eine Nachricht per E-mail geschrieben. Schriftlich kann ich mich irgendwie besser ausdrücken. Hoffe, du hast die Mail bekommen. Ciao!“
Kein lieber Gruß, kein nettes Wort. War irgendetwas passiert, wovon ich nichts mitbekommen hatte? Ich zog meinen Mantel aus und ging ins Wohnzimmer, um meinen PC anzuschalten. Ich hatte tatsächlich Post von Nico.
-------- Original-Nachricht --------
> Datum: Mon, 08 Dec 2008 14:55:57
> Von: „Nico Krohninger“
> An: [email protected]
> Betreff: Abschied
Liebster Marten,
Du bist der großartigste Mann, dem ich je begegnet bin. Von Anfang an war ich magisch von Dir angezogen. Und die Nacht mit Dir war einzigartig. Ich danke Dir und werde sie nie vergessen. Annemarie ist tatsächlich schwanger und wir haben heute das Aufgebot bestellt. Wir werden bereits in vier Wochen heiraten, damit man den Babybauch noch nicht sieht und sie sich nicht fühlt wie ein trächtiges Vieh bei der Nothochzeit. Du bist natürlich herzlich eingeladen, aber ehrlich gesagt, kann ich es nicht ertragen, Dich als meinen Gast dort zu sehen. Daher bitte ich Dich in aller Freundschaft, nicht zu kommen. Du wirst immer einen Platz in meinem Herzen haben, aber ich bitte Dich, zu akzeptieren, dass ich bald ein verheirateter Mann und vor allem Vater bin. Ich kann kein Gefühlschaos gebrauchen. Bitte melde Dich nicht mehr und behalte mich in guter Erinnerung.
Aufrichtigst,
Dein Nico
* * *
Vier Wochen später war ich endlich wieder in der Lage, einen einsamen Fernsehabend in meinem Wohnzimmer zu verbringen. Ich hatte eine Pizza von Luigi vor mir liegen und gerade eine Flasche Rotwein geöffnet, als mein Telefon klingelte. Ich erhob mich etwas genervt und schlurfte in den Flur.
„Jo!“
„Jo? Was soll das denn heißen? Bist du das, Marten?“
„Oh…hi, Julia! Wie geht es dir?“
„Mensch, Marten! Wie schön, dich endlich zu hören. Wo hast du nur die ganze Zeit gesteckt? Ich habe so oft versucht, dich anzurufen. Jedes Mal ging dein Band an und