Stachel der Erinnerung
Tessa mit Meldis ging, musste er sich in der Tat selbst darum kümmern, wie er wieder zurückkam. Daran hatte er nicht gedacht, aber was ihn viel mehr beschäftigte, war der Umstand, dass sich Tessa dann außerhalb seiner Reichweite befand. Dass er sie möglicherweise nie wiedersehen würde.
Wenn er ihr nur begreiflich machen könnte, was sie ihm bedeutete. Aber sie wollte das weder sehen, noch hören, noch verstehen. Sie wollte Meldis beschützen, für alles andere war sie blind und taub.
Trotzdem würde er morgen den ersten Schritt setzen, um seinen Plan zu verwirklichen und Meldis freigeben. Er war durchaus der Ansicht, dass seine Annahme, sich selbst aus dem Spiel zu nehmen, damit die beiden glücklich werden konnten, Erfolg versprach. Kaldak würde bestimmt noch eine Weile in der Feste bleiben, denn Nick zweifelte nicht daran, dass es genug Krieger gab, die sein Angebot annehmen, und den Preis bezahlen würden. Also hatte er noch eine Galgenfrist, die beiden zu beobachten und – was ihm viel wichtiger erschien Tessa von seinen Gefühlen zu überzeugen.
siebenundzwanzig
Er holte Meldis am nächsten Tag ab. Nach reiflicher Überlegung war er zu der Überzeugung gelangt, dass das alles entscheidende Gespräch außerhalb der Feste an dem idyllischen Plätzchen stattfinden sollte, das er mit ihr schon einmal aufgesucht hatte – allerdings mit anderen Hintergedanken. Dort waren sie ungestört und vielleicht gelang es ihm auch, ihr klar zu machen, dass sie auf der Hut sein sollte, was ihre Zukunft und alle damit verbundenen Entscheidungen betraf. Viel mehr konnte er für sie seines Erachtens nach nicht tun.
Meldis wartete bereits auf ihn und begrüßte ihn ehrerbietig, aber ohne erkennbare Gefühlsregung. Bevor er mit ihr das Haus verließ, nickte er Tessa kurz zu, stellte dabei aber fest, dass sie müde aussah und ein verkniffener Zug um ihren Mund lag. Egal. Darum würde er sich später kümmern.
Sie erreichten die Stelle in innigem Schweigen. Nick half Meldis vom Pferd und führte sie zu einem umgestürzten Baumstamm. Sie setzte sich und blickte sich um. „Wir waren schon einmal hier“, stellte sie fest.
„Ja, in der Tat. Schön, dass du dich daran erinnerst“, entgegnete Nick und setzte sich neben sie. Sofort rutschte sie ein Stück von ihm weg, aber er tat, als bemerke er es nicht.
„Meldis, es ist Zeit, dass wir uns über die Zukunft unterhalten“, begann er und griff nach ihrer Hand. Sie blieb ruhig sitzen, aber ihr rechtes Augenlid zuckte nervös.
„Ja, Serre, das denke ich auch“, antwortete sie sittsam.
Nick packte die Gelegenheit beim Schopf. Ganz so einfach wollte er es ihr nicht machen. „Und was genau denkst du?“
Sie blickte auf seine Hand, die immer noch über ihrer lag. „Wir hatten Gelegenheit, uns ein bisschen besser kennenzulernen. Im Nachhinein muss ich zugeben, dass das wirklich eine ausgezeichnete Idee war.“ Sie sah auf. „Denn deshalb hatte ich die Möglichkeit herauszufinden, dass du ein gütiger, weitblickender Mann bist, Serre.“
Nick hob die Brauen. „Wirklich? Es widerstrebt dir also nicht mehr, meine Frau zu werden?“
Sie wurde blass. Dann fing sie sich. „Ich weiß nie, ob du einen Scherz machst, oder ob du solche Sachen ernst meinst, Serre. Das verwirrt mich.“ Sie zog ihre Hand weg. „Du machst doch jetzt einen Scherz, nicht wahr?“
Nick beschloss, sie nicht länger zu quälen. „Ja, ich mache einen Scherz, Meldis. Ich weiß, dass du mich nicht heiraten willst.“
Sie schwieg und nachdem sie damit nicht aufhörte, fuhr er schließlich fort: „Was hab ich falsch gemacht? Warum lehnst du mich so entschieden ab?“
Sie seufzte. „Du hast nichts falsch gemacht, Serre. Zu Beginn, da dachte ich, wir wären uns fremd und ich hatte Angst. Richtige Angst“, wiederholte sie. „Du kennst doch die Gerüchte über deinen Vater und den Tod deiner Mutter? Ich glaubte, du wärst genauso wie dein Vater. Aber das bist du nicht. Du bist nicht so. Du würdest eine Frau niemals schlagen.“ Als ihr der Satz herausgerutscht war, wurde ihr bewusst, dass sie Erik Ulfson damit über Umwege beleidigte und ihre blassen Wangen färbten sich rot. Hastig redete sie weiter. „Aber ich habe mir meinen zukünftigen Mann immer ganz anders vorgestellt. Nicht so ruhig. So kühl. Du redest so wenig, und wenn, dann weiß ich oft nicht, was du wirklich meinst. Ich verstehe dich nicht und das ist für eine gemeinsame Zukunft keine gute Grundlage.“
Da konnte er ihr nur
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